18-jährig tritt die unscheinbare und mittellose Jane Eyre (Mia Wasikowska) ihre neue Stelle als Hauslehrerin im geheimnisvollen Herrenhaus Thornfield an, dessen Haushalt von der gutmütigen Mrs. Fairfax (Judi Dench) geführt wird. Aufgewachsen als Waisenkind war Janes bisheriges Leben geprägt von Entbehrungen und fehlender Liebe. Umso mehr fühlt sie sich von der ersten Begegnung an magisch hingezogen zu dem spröden, aber faszinierenden Hausherrn Edward Rochester (Michael Fassbender). Doch trotz seines offenkundigen Interesses an ihr, umwirbt er auch die schöne Blanche Ingram (Imogen Poots). Jane glaubt nicht mehr daran, ihn für sich gewinnen zu können - bis Rochester ihr völlig überraschend einen Heiratsantrag macht. Ihr Glück scheint perfekt. Doch am Tag der geplanten Hochzeit nehmen die Dinge plötzlich eine dramatische Wendung...
Wenn man sich die Inhaltsangabe am DVD- Coverrücken durchliest, würde man eine „dramatische Wendung“ erwarten, die mehr dem Geheimnis Dorian Greys gleicht. Zumindest ging es mir so. Es ist für mich aber auch nicht sehr lange her, dass ich Oscar Wildes Geschöpf in seinem tragischen Schicksal untergehen sah, und deshalb nicht verwunderlich, dass ich als Horror- und Fantasyfilmliebhaberin weitaus Schlimmeres erwartete.
Dabei sollte man die Geschichte Jane Eyres doch eigentlich kennen, einen der größten Klassiker der viktorianischen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts. Es gibt zahlreiche Produktionen, die vom Leben dieser geschundenen, von allen sie umgebenden Charakteren ungeliebten Romanfigur erzählen und es werden mit Sicherheit noch viele Adaptionen dieses beliebten Stoffes folgen.
Hatten sich schon Schauspielgrößen wie William Hurt (1996), Timothy Dalton (1983) und Ciarán Hinds (1996) an die Darstellung Rochesters und Schauspielerinnen, u.a. Charlotte Gainsbourg (1996), Samantha Morton (1996), Joan Fontaine (1944) an Jane Eyre herangewagt, versucht man in der Version aus dem Jahre 2011 wohl offenbar ein jüngeres Publikum ansprechen zu wollen.
Nun erwartet eine in Regisseur Cary Fukunagas Version des Klassikers das Traumcast schlechthin. Aber nicht nur britische Schauspieler wirken bei dessen Produktion mit. Gerade die Hauptrolle, die Waise Jane Eyre, wurde mit der australischen Jungschauspielerin Mia Wasikowska (
Alice in Wonderland, The Kids are All Right, Lawless) besetzt. Jane Eyres bekanntermaßen unscheinbares Äußeres wird durch diese Nachwuchsschauspielerin, die man 2008 neben Gabriel Byrne in der Erfolgsserie „In Treatment“ bewundern konnte, fesselnd portraitiert. Wasikowska, geborene Polin und in Australien lebend, ist ihrerseits nicht gerade ein „hässliches Entlein“.
Kostüm-technisch mag der Film auf den ersten Blick nicht wahnsinnig viel hergeben, wenn man sie mit Blockbusterproduktionen à la „
Elizabeth: The Golden Age“ vergleicht.
Cate Blanchett, deren Performance sich nur noch darauf beschränkte, sich stundenlang in ihren Wahnsinnskostümen und wallenden Kleidern im Kreis drehte, um ja den gewünschten Wow-Effekt im ästhetischen Auge des Zuschauers hervorzurufen. Den Umstand, dass der schauspielerische Aspekt dadurch eher in den Hintergrund rückt und man sich dann nur noch ärgert, weil man sich eigentlich mehr erwartet hatte, hat sich Cary Fukunaga für seinen Film jedenfalls gespart.
Solch ein Werk ist weitaus ansprechender als so mancher Klassiker, der als Blockbuster aufgezogen wurde. Wenn die Kostümauswahl nicht zu sehr auf Effekthascherei abzielt, sondern so historisch akkurat wie möglich zu sein versucht, muss umso mehr die schauspielerische Leistung der Beteiligten stimmen.
Michael Fassbender (
Prometheus,
Shame,
Inglourious Basterds), deutsch-irischer Schauspieler und spätestens seit der Darstellung Magnetos in „
X-Men: First Class“ in aller Munde, spielt den Herrn des Hauses, Mr. Edward Fairfax Rochester - ein Darsteller, der
Mia Wasikowska sowohl äußerlich als auch schauspielerisch zumindest ebenbürtig ist. Sogar bei einem mir nicht gerade beliebten Film wie
Prometheus muss auch ich erkennen, dass bei all dem Unsinn, den der Film hergab, zumindest Michael Fassbenders Auftritt einprägsam war.
Auch wird man sich wohl noch Jahrzehnte nach
Steve McQueens Drama “
Hunger” (2008) an Fassbenders packende Performance erinnern können. Dass Michael Fassbender Jahre danach noch mehrmals mit McQueen zusammenarbeitet und zusammenarbeiten wird, sprich bereits Bände über eine harmonische – oder zumindest sehr fruchtbare – Zusammenarbeit zwischen den beiden. Zuletzt in dessen Drama „
Shame“ als sexsüchtiger Brandon und bereits nächstes Jahr wieder in “
20 Years a Slave” (2013) zu sehen, wird man wohl auch in Zukunft noch auf weitere Werke der beiden hoffen können. Da bei Interviews mit Beteiligten an einer Filmproduktion ausnahmslos von einer tollen Zusammenarbeit gesprochen und voneinander geschwärmt wird, bis sich die Balken biegen, ist es erfrischend manchmal auch tatsächliche Sympathien erkennen zu können.
Man kann mal wieder beruhigt sein, dass es sich manchmal nicht um nur leere Worte handelt, sondern es tatsächlich zwischen Regisseur und Darstellern „funkt“. Diese menschlichen Beziehungen hinter der Kamera machen es zu einem Vergnügen sich auch weiteres von bestimmten Filmemacherteams anzusehen.
Dame Judi Dench,
James Bonds „M“ und mehrfach Darstellerin von Königinnen aller Zeitalter, ist bekanntermaßen prädestiniert für Rollen britischer Klassiker und in sonstigen beliebten Stoffen des Vereinigten Königreiches und somit in Charlotte Brontës „
Jane Eyre“ gut platziert. Diesmal spielt sie nicht die Hausherrin, sondern die gute Seele des Hauses, die Jane Eyre auf sympathische Art und Weise in ihr Leben im Hause Thornfield einführt und auch ein weiterer wichtiger Bezugspunkt für die Gouvernante sein wird.
Happy-Go-Luckys “Poppy”, die sonst äußerst sympathische und herzerwärmende Sally Hawkins (als Jane Eyres Tante Mrs. Reed) und Simon McBurney („
The Last King of Scotland“, „
Tinker, Taylor, Soldier, Spy“), der für seinen Teil wiederum schon öfter den Spielverderber mimte, dürfen sich in die Riege der Unsympathler dieses Filmes zählen.
Auch
Jamie Bell („
The Adventures of TinTin“, „
Billy Elliot“), der seine Rolle Billy Elliot wohl nie abschütteln können wird, ist mit von der Partie. Seine Rolle, St. John Rivers, der eine gestrandete, ausgelaugte Jane Eyre in sein Haus und als Familienmitglied aufnimmt, ist zwar eine der Randfiguren aber am Ende doch ein wesentlicher Grund, warum die Geschichte so ausgeht, wie sie ausgeht. Eine Schlüsselfigur, wie man sie sich in dieser Form nicht erwartet hätte.
Es gibt so manche „Überraschungsgäste“, die man so oder so schon einmal in anderen Filmen gesehen hat aber die meisten wohl nicht kennen werden. Mary Rivers, eine Schwester St. Johns, verkörpert von Tamzin Merchant, die dem ein oder anderen noch aus der Historienserie „The Tudors“ bekannt sein wird. Deren tragisches Schicksal, eine Frau King Henry des Achten gewesen zu sein, kann ich bei Schau eines Filmes mit derselben Schauspielerin leider nicht aus dem Gedächtnis bannen. Auch ein überraschender Auftritt der italienischen Schauspielerin Valentina Cervi (Salome aus „True Blood“ (2012), Pier Angeli aus „James Dean“ (2001)) - der überraschendste des Filmes überhaupt, da er einen Wendepunkt in der Geschichte darstellt – bleibt nicht unbeachtet.
Besagter Wendepunkt, der in der Inhaltsangabe als „dramatische Wende“ beschrieben wird, verläuft im Grunde ganz anders als man sich erwartet. Man ahnt zwar den ganzen Film über, dass da etwas im Busch ist, erwartet aber etwas ganz anderes.
Mrs. Fairfaxes Warnungen, Jane solle ihrem Geliebten und sich selbst nicht zu sehr vertrauen - da Männer seines Ranges eher selten außerhalb seiner sozialen Klasse, im Speziellen die Hauslehrerinnen ihrer Kinder heiraten – würden darauf schließen lassen, es würde sich bei er „Auflösung“ des mysteriösen Geheimnisses von Mr. Rochester um eine heimliche Verlobung mit Lady Ingram oder ähnlichem handeln.
Abgesehen von diesem Thema der Klassenunterschiede, die wohl zu der Zeit genug Stoff für Literatur gegeben haben, ist der Leitgedanke des Geschlechterkampfes wohl das wichtigste. Janes Versuche, sich in dieser rauen und durch Religion geprägten Zeit durchzusetzen, bleiben nicht unverrichtet. Jane Eyre ist dem Publikum sowohl sympathisch als auch unabhängig und alles andere als wortkarg. Ihre Art auf Angriffe zu kontern, ist es was den Herrn Rochester an Jane so faszinierend findet.
Ich, der es Liebesfilme ja eher nicht sehr angetan haben, war generell äußerst positiv überrascht. Wenn schon ein Liebesfilm dann muss er lustig muss sein. Man mag von Adam Sandler als Komödiendarsteller halten was man will, seine „50 ersten Dates“ sind eine Klasse für sich und äußerst gefühlvoll-mitreißend inszeniert.
Sowohl Cast als auch Story von „Jane Eyre“ sind einnehmend genug um auch Nichtliebhaber von Liebesschnulzen zu fesseln. Die Spannung hält sich durchgehend und man fragt sich auch konstant was wohl als nächstes geschehend wird – vorausgesetzt natürlich, dass man, so wie ich, die Literatur dazu nicht kennt. Hierzu müsste ich wohl noch so einige Filmbeispiele Jane Eyres zum Vergleich hinzuziehen, um ein ausreichendes Urteil abgeben zu können. Wenn man den Film allerdings als eigenständiges Werk betrachtet – was man bei Buchverfilmungen meiner Ansicht nach sowieso tun sollte - und nicht zu sehr darauf bedacht ist, es der Romanvorlage gerecht zu werden, kann man jedenfalls sagen, dass „Jane Eyre“ ein speziell gefühlvoller Film ist.
Man kann die Liebhaber des Romanes wohl nicht alle zufrieden stellen aber das ist sowieso nichts Neues. Kaum ein
Harry-Potter-Bücher-Leser,
Herr-Der-Ringe-Fanatiker,
The-Hunger-Games und
Twilight-Saga-Fan ist mit den filmischen Adaptionen vollends zufrieden. Aber damit muss man als Filmemacher einfach leben. Abgesehen davon muss man ein filmisches Werk sowieso anders angehen als die Literatur und die beiden Künste zu vergleichen, hat meiner Meinung nach sowieso wenig Sinn. Darum genieße ich, als der Filmliebhaber der ich bin, Literatur und Filme getrennt voneinander und weiß, dass man streng differenzieren muss.
Auch, wenn man die Literatur „Vorgabe“ erst nach Filmgenuss durchackert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man mit der filmischen Umsetzung unzufriedener wird. Das schließt die Sookie Stackhouse Romane Charlaine Harris‘ nicht aus, die das True-Blood-Schauen eher verderben als verschönern. Entweder man weiß vorher was passiert und ist enttäuscht das die Spannung flöten geht, oder ,,Film/Serie´´ wird anders umgesetzt als das Buch und man ist erst recht unzufrieden.
Sei es wie es sei, wenn man nun einen Film vor sich hat, dessen Fasson dem eigenen Geschmack entspricht, kann einem die eigentliche literarische Vorlage mehr oder weniger egal sein.
Auch ein mehr oder weniger unüblicher Erzählstil in dieser Art von Filmen gibt dem Werk ein wenig mehr Pepp als man es von Historiendramen gewohnt ist.
Mr. Brocklehurst (Simon McBurney): This is the pedestal of infamy, and you will remain on it all day long. You will have neither food nor drink for you must how barren is the life of a sinner. Children, I exhort you to shun her, exclude her, shut her out from this day forth. Withhold the hand of friendship and deny your love to Jane Eyre, the liar.
Text: Sabine Stenzenberger
Bildmaterial und Kurzinhalt: © TOBIS FILM
Darsteller:
Jane Eyre: Mia Wasikowska
Edward Rochester: Michael Fassbender
Mrs. Fairfax: Judi Dench
St. John Rivers: Jamie Bell
Mrs.Reed: Sally Hawkins
Blanche Ingram: Imogen Poots
u.v.a.
Regie:
Cary Joji Fukunaga
Drehbuch:
Moira Buffini
Romanvorlage:
Charlotte Brontë
Produktion:
Alison Owen, Paul Trijbits
Ausführende Produktion:
Christine Langan
Co-Produktion:
Faye Ward, Mairi Bett
Kamera:
Adriano Goldman
Schnitt:
Melanie Ann Oliver
Ausstattung:
Will Hughes-Jones
Make-Up, Frisuren:
Daniel Phillips
Originaltitel: Jane Eyre
Kinostart: 01.12.2011
Produktionsland: UK, 2011
Filmlänge: 120 Minuten
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