Die Handlung des Eröffnungsfilmes bei der Grazer Diagonale 2018 „Murer – Anatomie eines Prozesses“, Regie Christian Frosch, spielt im Jahr 1963 in Graz während des Prozesses gegen den angesehenen Lokalpolitiker und Großbauern Franz Murer (genial von Karl Fischer gespielt), dem schwere Kriegsverbrechen, nämlich Mord an Juden, vorgeworfen werden.
Der Film beginnt mit der Szene aus der Untersuchungszelle, wo Murer den Besuch von seiner Frau (Ursula Ofner-Scribano) und dem Anwalt (Alexander E. Fennon) bekommt. Murer hat seine Uniform mit Abzeichen an. Doch der Anwalt rät ihm davon dringend ab. Er soll die löchrige Tracht, die ihm seine Frau mitgebracht hat, anziehen, damit er in seiner Rolle eines Bauern bleibt, welchem ungeheure Taten vorgeworfen werden.
Der Prozess gegen Franz Murer beginnt damit, dass sein Name während des Prozesses gegen Adolf Eichmann fällt. Die Justiz konnte darauf nicht nicht reagieren, so ist der Prozess zustande gekommen. Dies gegen den Willen der Politik (wer sich nicht anpatzen will, hat in der Politik nichts verloren), die ihre Ziele verfolgend die Stimmen von Ex-Nazis brauchte und der Meinung war, dass die „gebesserten“ Ex-Nazis eine zweite Chance verdient hätten.
Der Prozess ist eröffnet, und der Staatsanwalt (Roland Jaeger) und der Rechtsvertreter von Murer spielen good cop, bad cop (guter Bulle, böser Bulle). Brillant widerlegt der Staatsanwalt Schuhmann jede der Ausführung des Rechtsvertreters von Murer. Als ein Stein eine Fensterscheibe in der Wohnung des Staatsanwaltes durchschlägt, ist jeder Zuschauer sicher, auf welcher Seite dieser ist. Schlussendlich ist man gemeinsam mit seiner Ehefrau zutiefst entsetzt, als er sein Verdikt verkündet und in einem Gespräch mit dem Rechtsvertreter von Murer sein wahres Gesicht zeigt. „Eine Anweisung aus Wien?“ fragt ihn der Rechtsvertreter. Darauf nickt der Staatsanwalt nur und lächelt hämisch. Er schlägt dem Verteidiger Böck vor, doch lieber den rechten Ausgang zu nehmen, denn ansonsten stößt er auf die verärgerten Juden. Während der Staatsanwalt den hinteren Ausgang nimmt, nimmt der Verteidiger den linken und wird von den Juden umringt.
Der Verteidiger Böck nutzt jede Möglichkeit, um seinen Mandanten freizubekommen. Die Verwechslungen der Jahre (1943 oder 1942), keine Erinnerung an die Farbe der Uniform, die bekanntlich unverändert bleibt, werden als grobe Erinnerungslücken abgestempelt. Wenn die Zeugen sich an diese Details nicht erinnern können, wie sollen sie sich denn an das Gesicht von Murer erinnern? Es soll sich hierbei um Personenverwechslung handeln. Zum Schluss wird noch der bereits zu Lebenslang verurteilte Weiss als Zeuge geladen, der die Tötung des Sohnes eines der Zeugen, der als klarer Beweis gegen Murer bis dahin gilt, auf sich nimmt. Gekrönt wird der Auftritt des Verteidigers Böck durch seine „Hollywood“-Rede über das freie Österreich. Nachdem sein Ziel erreicht ist, wird der Verteidiger Böck blass. Blass über die Tatsachen, die sich vor ihm abgespielt haben. Das letzte, was man von ihm erfährt, ist die Phrase „Wer sagt, dass er unschuldig ist?“ als Gegenäußerung auf die Aussage von der Ehefrau von Murer, sie habe immer an die Unschuld ihres Ehemannes geglaubt.
Eine brillante Koproduktion von Prisma Film (AT) und Paul Thiltges Distributions (LU), die den Glauben an das Recht und die Gerechtigkeit der österreichischen Justiz, insofern die im Film wiedergegebenen Tatsachen der Realität entsprechen, auf die Probe stellt. Sehenswert und ein schöner Diskussionsstoff, insbesondere, da die befragten Zuschauer bei dem Film sich mit der Thematik des Nazitums, nicht allerdings mit der Thematik der fehlenden Gerechtigkeit der österreichischen Justiz auseinandersetzen.
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Fotos: diagonale