Der Vorhang geht auf und eine Melodie erklingt, die mich durch die Kindheit und Jugend begleitet hat:
(Die Blumenblätter fallen auf den Sand,
Niemand weiss, wie einsam ich bin...
Niemand ist zärtlich zu mir,
Meinen Schmerz muss ich verstecken,
Mein Schicksal ist - mich hinter der Maske zu verstecken.)
Seit 1926 füllt die von Emmerich Kálmán geschriebene Operette „Die Zirkusprinzessin“ Opern-/Theater- sowie Kinosäle, wobei die in Russland gezeigte Version aufgrund der Folgen der Revolution sowie der Darstellung der unwahren Lebensumstände in Russland statt in St. Petersburg in Paris oder durchgehend in Wien gespielt wurde bzw. die russischen Fürsten durch österreichische und französische Aristokraten ersetzt wurden.
Finanzielles als Grundlage einer guten Ehe?
„Die Zirkusprinzessin“ erinnert stark an „Der Widerspenstigen Zähmung“. Fürstin Fedora Palinska, eine stolze, schöne Frau, die gerne ihre Macht über die Männerwelt ausübt und jeden, der um sie wirbt, sich um sie bemühen lässt, ist überall begehrt. Jeder will sie heiraten, jeder will ihr zu Füßen liegen. Es gibt allerdings für die Fürstin nur eine angemessene Partie, den Prinzen Sergius Wladimir, den sie – oh Pech für den letzteren – schlichtweg nicht mag. Fürstin Fedora Palinska lebt ein unbeschwertes Leben. Geld kann man ihr nicht abnehmen, und jeder Bewerber liest ihr ihre Wünsche von den Augen ab, sie kennt kein „nein“. Den neuen Werber Prinzen Korossow sieht sie zwar als eine perfekte Begleitung und genießt es von ihm verwöhnt zu werden, außerdem entspricht sein Status ihren Vorstellungen, allerdings will sie sich auch an ihn nicht binden. Ein Umbruch kommt, als Fürstin Fedora Palinska vom Zaren aufgefordert wird zu heiraten. Tatsächlich wird der Brief vom Prinzen Sergius Wladimir gefälscht. Keiner ist der Fürstin gut genug, und am liebsten würde sie sich selbst heiraten, allerdings entscheidet sie sich in ihrer Not, sich mit dem Prinzen Korossow zu verbinden.
Im Gegensatz zur Fürstin Palinska ist die Lebenssituation des „Zirkusschmetterlings“ Miss Mabel Gibson ziemlich ausweglos, als sie vom Zirkusdirektor entlassen wird. Als eine verwaiste ehemalige Offizierstochter, die nichts hat, wo sie hingehen kann und keine finanziellen Mittel besitzt, sieht sie keinen Ausweg und wird von einem Mister X in die Welt von Wodka und Gefahr gebracht. Obwohl der Bewerber Toni Schlumberger, ein Hotelerbe, ihr nicht entspricht, findet sie ihn schließlich als eine gute Partie, um ihre finanzielle Situation abzusichern und drängt ihn schließlich, sie zu heiraten. Toni Schlumberger ist ein unansehnlicher Mann, der vom Prinzen Wladimir zum "Hotelerben im grünen Anzug" getauft wird, der seine Ziele verfolgt, allerdings ein ewiges Muttersöhnchen ist, das sich nicht traut, seiner Mutter zu widersprechen. So ist in der Folge auch Prinz Wladimir von ihm zutiefst enttäuscht, als er ihn nach 30 Jahren seit der ersten Begegnung als Kellner im Hotel, das er nach seinem Vater geerbt hatte, trifft. Auch hier hat seine Mutter ihre Vormundschaft über den Sohn ausgespielt.
Wenn die Frauenfiguren als starke Persönlichkeiten, die wissen, wie sie zum Ziel kommen, auch wenn dieses kein Glück bringt, sondern nur finanzielle Grundlage ist, werden Männer in "Die Zirkusprinzessin" als unwürdige Werber dargestellt. Schwach, ohne starken, selbstbewussten Willen, zwar mit dem Willen sich um die Frau zu bemühen, allerdings ohne jede bloße Ahnung, wie dies zu bewerkstelligen ist, ohne Stolz sind die Männerrollen.
Einzig und alleine Prinz Wladimir, der allerdings zu sehr von sich überzeugt ist und kein "nein" akzeptiert und sich schlussendlich wiederum nicht männlich verhält - denn ein Mann übt keine Rache gegen eine Frau, sondern bemüht sich umso mehr um sie - ist eine starke Persönlichkeit, auch mit ihren zahlreichen Macken. Ivan Orescanin, der den exzentrischen Prinzen Wladimir verkörpert, war wie immer unübertrefflich und stahl dem ihm gegenüber blassen Hauptdarsteller die Show.
Ebenso die stimmgewaltige Darstellerin Sieglinde Feldhofer wurde zu Recht umjubelt.
Auffallend ist, das offenbar wieder die Quoten zu erfüllen waren, denn man sah wieder mehrere Männer in Frauenkleidern und viel Schminke. Einige Rollen waren fraglich nach ihrer Bedeutung, wie zwei Darsteller in gestreiften Overalls und mit Kondom auf dem Kopf, die seltsame Bewegungen miteinander und alleine trieben sowie mit unechten Brüsten und mit einer Zigarette ausgestattete Minderjährige. Auch fragwürdig ist, warum der Zirkusdirektor von einer Frau gespielt wurde, der außerdem vermutlich aus Stoff und ziemlich ungeschickt der beste männliche Teil verpasst wurde, während Darsteller, die kein Problem mit der natürlichen Ausstattung hatten, in Frauenkleidern verpackt wurden.
Nur pour l´amour ist scheinbar doch weniger wert als „Money, money, money“.
VS
Fotos: Werber Kmetitsch