Gigi (Sieglinde Feldhofer) ist kein störrisches Kind mehr, sondern eine noch unbeholfene junge Dame, die sich – um sich die Zeit in ihrem als langweilig dargestellten Leben zu vertreiben – gerne Kartenspielen und anderen Kindereien hingibt. Die Geschichten in den Büchern langweilen sie, handeln diese doch immer vom selben: von der Sehnsucht nach der (un)erfüllten Liebe.
Doch die Liebe interessiert Gigi nicht. Wie auch? Sie wächst bei ihrer alleinstehenden Großmutter Mamita (Uschi Plautz) auf. Und ihre Mutter, die kein einziges Mal die Bühne betritt, müht sich - nach den abfälligen Worten der eigenen Mutter- täglich als Chorsängerin in der Oper ab. Die „Fertigstellung“ Gigis Erziehung übernimmt die Großtante Alicia (Lotte Marquardt), eine Kurtisane in Ruhe. Unter ihrer Ägide soll aus Gigi eine Nobelhure ersten Ranges werden.
Auch das Bühnenbild wird von leichtbekleideten Frauenkörper geprägt. Statt Häusern und Wänden gibt es riesige Torsi mit Korsetten á la Burlesque (Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau).
Gigi soll also zu einer schicken Erscheinung herangezogen werden, um der Männerwelt zu gefallen. Sie soll lernen, wie sich eine Dame (besser: Mätresse) kleidet und verhält.
Gaston Lachailles (Guido Weber) ist einer der Edelmänner, die eine Geliebte nach der anderen haben. Aber Gaston ist von diesem seinem Leben schon in seinen jungen Jahren angewidert und gelangweilt.
Gaston ist nicht nur wohlhabend, sondern auch stadtbekannt, und so stehen seine Eskapaden – und die seiner Verflossenen – täglich in der Klatschpresse.
Als Gaston bemerkt, dass seine Spielereinen mit und seine einst kindliche Zuneigung zu Gigi nun einen sexuellen Charakter angenommen haben, will er Gigi zuerst vergessen. Er möchte sie und ihre Zukunft durch Besuche im Maxim, durch die Paparazzi und deren Meldungen in den Revuezeitungen nicht gefährden.
Gaston respektiert Gigi als Persönlichkeit. Erst Gigis Großtante und deren Großmutter bringen ihn dazu, in ihr vorläufig erst wieder nur eine Mätresse zu sehen. Der Vertrag, der ausverhandelt wird wie der Preis eines Kamels auf einem arabischen Viehmarkt, bedeutet den emotionalen Bruch Gastons mit Gigi. Alles das man zahlenmäßig bewerten kann, verliert seinen emotionalen Wert.
Letztendlich willigt sogar Gigi ein Gastons Mätresse zu sein und wieder ist es Gaston, der die Notbremse zieht.
Kein Sex in der Ehe!
Das ganze endet in einem Heiratsantrag. Während das ganze Stück mit sexuellen Anspielungen durchzogen ist und es immer um darum geht, dass irgendein Mann mit irgendeiner Frau Sex hat oder haben möchte, spielt Sex ab dem Heiratsantrag offensichtlich keine Rolle mehr.
Das ist der Witz an den Happy Endings: Sie sind nicht das Ende. Nach dem Happy End fängt erst das Eheleben an und, mangels Sex, kehrt die Fadesse zurück. Was wiederum den Mann zurück ins Maxim führt und dort beginnt alles von neuem.
Weltweit den größeren Erfolg als „Gigi“ hat „My Fair Lady“. In diesem Stück wird eine junge Frau zu einer gebildeten, feinsinnigen Dame mit perfekten Umgangsformen herangebildet. In „Gigi“ wird aus einer bezaubernden jungen Frau eine Edelprostituierte gemacht, die man an den Meistbietenden verkauft. Der Unterschied ist, dass in „My Fair Lady“ Männer die Erziehung übernehmen, die der jungen Frau mit Respekt begegnen. In „Gigi“ sind Frauen am Werk, die weder vor sich selbst noch vor anderen Frauen Respekt haben.
„Der wahre Mann ist der, der nett lügen kann!“
Eine Liedzeile auf die die aufmerksame 6-jährige Zuseherin Clara, die Frage „Echt?“ an ihre Mutter richtete.
Die-frau nimmt meist Kinder mit in die Oper, ins Theater etc., denn schließlich sind diese die Besucher von morgen. Doch statt wirklich günstiger Kinderkarten, wie dies durchaus in der Wiener Staatsoper der Fall ist, oder gar Pressekarten für sie zu bekommen, kostete eine Kinderkarte Euro 32,-- - ein rabattierter Preis zwar, dennoch für eine Durchschnittsfamilie unerschwinglich.
Dabei hätte gerade „Gigi“ mehr Werbung quer durch die Altersstufen gut getan, denn obwohl viel lokale Prominenz wie Hannes Kartnig, Dr. Eduard Lanz, Dr. Peter Panzenböck, ex Minister Dr. Peter Barthenstein im Publikum waren, blieben viele Stühle leer und das bei einer Premiere.
Erwähnenswert sind die Tanzeinlagen des Ensembles (Choreographie Simon Eichenberger) und vor allem die Kostüme von Judith Peter, die es unseren Kinderredakteuren besonders angetan haben.
CS
Fotos: Dimo Dimov