Vienna´s English Theater – hier ist der Geist des englischen Dandys noch wach. Die Location, die sich zwar ziemlich zentral - nämlich wenige Schritte von der Josefstädter Straße entfernt - befindet, ist leicht zu übersehen oder besser gesagt, macht sich in dem kleinen Versteck sehr unbemerkbar.
Trotz meiner Annahme in dem Zuschauersaal mehrere junge Leute, die wie ich zum Zwecke des Sprachtrainings ein Theaterstück in englischer Sprache anschauen, erblickte ich Besucher in der Altersgruppe 50+.
„Time Stands Still“ von Donald Margulies gilt nicht nur dem Auffrischen der Englischkenntnisse, sondern ist vor allem ein starkes Stück, das zwei unterschiedliche Frauenleben zeigt. Der Anfang der Aufführung tendierte zu einer weiteren Geschichte über eine Frau, die sich als ein Opfer sieht, weil sie nach einem schweren Unfall physisch beeinträchtigt ist. Jedoch eröffnet die weitere Handlung eine neue Perspektive. Sarah Goodwin (Shannon Koob) ist eine Kämpferin, eine Frau, die nie aufgibt und sich keinesfalls als Opfer einer Situation sieht. Sie ist ihres eigenen Glückes Schmied und daher entscheidet sie sich so schnell wie möglich wieder zurück zur Fotografie – einer Tätigkeit, wo sie sich erfüllt fühlt, die bereits zu ihrem „Baby“ geworden ist. Ihre „Liebes-“geschichte, die eher ein Versuch der Einsamkeit zu entfliehen gewesen ist, erinnerte mich an die noch vor kurzem für Schlagzeilen sorgenden Berichte über die taktisch organisierte Ehe von einer mehrfachen Mutter und einem Arbeitsfreak; Heidi Klum und der fallende Soul-Star Seal. Sarah ist eine erfolgreiche Fotografin. Ihre Fotos bewegen, regen auf, provozieren. Sie macht ihren Job mitten in der Kriegszeit. Sie schmiedet ihr Glück und ihren Erfolg auf dem Unglück und den Tränen anderer. Ihr Job ist eine Botschaft - in Form der Wahrheit auf den Bildern - an die Menschen die Gesellschaft weiterzubringen, um allen die Augen aufzumachen, auch wenn es für viele nicht verständlich ist, dass sie dem Tod, einem Unglück regungs- und tatenlos zuschaut. Sarah lebt mit James Dodd (Howard Nightingall), einem ungenierten und unbegabten Journalisten, in einer achtjährigen Beziehung zusammen, begeht eine Affäre mit dem Manager, der bei dem besagten Autounfall ums Leben kommt. Ihr Freund, James, sieht in dieser Situation eine Möglichkeit für sich, diese nach Freiheit strebende Frau in seine Macht zu bekommen. Zuerst durch das Pflegen und dann durch die Heirat. Doch die Ehe wird für sie zu einem Käfig. Diese ist sie auch erst deshalb eingegangen, weil sie den Mann, der zu ihr gestanden hat damit glücklich machen wollte. Kann man jemanden damit glücklich machen, wenn man was für ihn und nicht für sich tut? Sarah ist es auf jeden Fall nicht gelungen. Alkohol, Rauchen – beide sind Zeuge einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, die Zeichen dafür, dass man in diesen zu ertrinken und sich zu vergessen versucht.
Sarah wird Mandy, eine junge Eventmanagerin, die einen älteren Mann, Richard (Dave Moskin), der vor 20 Jahren eine Affäre mit Sarah (Carrie Getman) hatte und immer noch diese Frau begehrt und verehrt, gegenüber gestellt. Sie findet ihre Berufung in dem, dass sie für ihre Tochter eine gute Mutter sein will. Auch wenn sie Sarah vor der Schwangerschaft ihre Kenntnis davon offenbart, dass sie ihr Wissen als niederwertig und reif für eine Steigerung einschätzt, gibt sie die Karriere auf, um ihrer Tochter so viel Liebe bieten zu können, wieviel sie glaubt dass diese brauchen wird. Jedoch ist sie auch in dieser Familiensituation der Head der Familie und lässt sich nicht bevormunden. Die von ihr ausgesprochene Phrase „Liebling, ich kann doch für mich selbst sprechen“ zeigt eine Frau, die Selbständigkeit anstrebt.
Überrascht hat, dass die eher kargen Diskussionen über das Theaterstück in der Pause nicht auf Englisch sondern auf Deutsch geführt wurden.
Der Besuch des Vienna´s English Theater wurde für mich zu einem kulturellen Erlebnis, wobei sich der Unterschied der Frauenpositionierung und der Frauenstellung in der Gesellschaft zwischen Österreich und England eindeutig darstellte. „Time Stands Still“ wird aufgeführt in dem Vienna´s English Theater bis zum 10. März 2012.
Varvara Shcherbak