Tango. Welche Assoziationen hat man mit diesem Wort? Den Standardtango kennt man jedenfalls aus Tanzwettbewerben, in denen das Tanzpaar über den Parkettboden schwebt. Seine Hand umschmeichelt ihre zarte Taille, sie pariert leicht und sinnlich über die Tanzfläche.
Tango gehört unbestritten zum Kulturerbe der Menschheit. Nichts mehr erinnert an Einwandererviertel und Bordelle. Die höheren Klassen haben schon längst diese Unterhaltungsform salonfähig gemacht. Nicht zuletzt konnte sich dessen die Grazer Society Szene durch einen Besuch der Veranstaltung "Tango Seduccio" am 05.12.2012 überzeugen.
„Für den Tango existiert kein Volk als abstrakte Einheit oder als Ideal. Der Tango kennt nur den Menschen aus Fleisch und Blut.“ Mit dieser seiner Aussage hat José Gobello (wikipedia.org) den Nagel auf de Kopf getroffen.
1836 kommt das Wort "Tango" zum ersten Mal vor. Es leitet sich vom Lateinischen tangere (tango=ich berühre) ab.
1880 wurde der Tango, der ursprünglich weniger reglementiert war, als er es heute ist, als Tanzrichtung in Rio de la Plata-Argentinien-Uruguay geboren. Durch Not in den Heimatländern und ein gelungenes Einwanderungsprogramm in Rio de la Plata kam es, dass innerhalb von 50 Jahren 6 Millionen Menschen in das Land zogen; vor allem Spanier, Italiener, Juden, von Engländern importierte afrikanische Sklaven usw. Somit wurde Tango zu einem Mix aus afrikanischem Rhythmus und Choreographie, musikalischer Zusammensetzung aus französischem Habanera, polnischer Mazurka, böhmischer Polka, uns einem "deutschen" Mix aus Walzer und Ländler.
Lange Zeit sah man den Tango als "schmutzige" Unterhaltung an, stammend aus einem Milieu von Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Prostitution. Zeitgleich wurde er zum Ausdruck existenzieller Not und menschlicher Einsamkeit.
Sehr lange war der Tango Zeitvertreib von Menschen aus der Unterschicht und erlangte nach dem ersten Weltkrieg durch den Zuzug in die Salons und Bars von Paris die Aufmerksamkeit der höheren Gesellschaft. Die Zeiten brachten dem Land und der Bevölkerung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Ab jetzt vertrieben auch viele Oberschichten ihre Zeit beim Erlernen des verführerischen Tanzes.
Zumindest bis auch der Grazer Stefaniensaal mit dem Tango-Fieber angesteckt wurde. „Tango seduccio“, so heißt die Show argentinischer Tänzer, die von 5.12.2012 durch Österreich tourt. „Seduce me“ bedeutet aus dem Englischen übersetzt „verführe mich“. So gingen die Tänzer und Tänzerinnen dem eigenen Motto nach und verführten einander. Denn vier von den sechs Paaren sind in Partnerschaft. Das Publikum, das gerade einmal die Hälfte des Saales füllte, applaudierte, man hat sogar einige Pfiffe gehört. Blumen flogen jedoch keine auf die Bühne.
Weltbester Tangomeister und Choreograph Gustavo Russo brachte durch Tanzbewegungen, und unterstützt von außergewöhnlichen Kostümen, argentinische Emotionen auf die Bühne. Unterwürfigkeit von Frauen und Konkurrenz unter Männern wurden unter anderem zum Thema.
Die Darstellungen wirkten noch dramatischer und pompöser durch mit Emotionen verfärbte Musik, gespielt mit Bandoneon und Violine ebenso wie Piano, Kontrabass, Cello, Schlagzeug - wobei ein besonderer Akzent auf das Werk Astor Piazzollas gelegt wurde. Unter anderem wurde dem Publikum sein berühmter „Libertango“ präsentiert.
Für besonderen Wow-Effekt sorgte eine heiße Liebesszene, die vor allem die Blicke der Männer an sich zog.
In der Pause versammelte sich die gesamte Grazer Society Szene, was den Eindruck machte, dass beinahe alle Karten verschenkt wurden. Denn Normalbürger sichtete man nur zu einem geringen Anteil.
Im Grunde könnte man die Vorführung von argentinischen Tänzern nicht viel anders als die Vorführung von europäischen Tänzern beschreiben. Offenbar erlebt der Tango auch in seinem Heimatland einen Wandel durch die Entwicklung der Zeit.
(vs)