09.05.2010 |
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…und zurück bleibt kalte Asche
„Das letzte Feuer“ von Dea Loher wurde 2008 im Thalia Theater Hamburg uraufgeführt. Unter der Regie von Andreas Kriegenburg wurde es zum Erfolg. Das preisgekrönte Theaterstück wird nun erstmals am Wiener Volkstheater in Österreich gezeigt. Regisseur Georg Schmiedleitner fasziniert das Publikum mit der Einfachheit seiner Inszenierung.
Das Theaterstück „Das letzte Feuer“ von Dea Loher wird von dem kleinen Jungen Edgar eröffnet. Dieser zeichnet friedlich auf eine überdimensionale Stoffleinwand, welche dem Zuschauer noch keinen Blick auf das tatsächliche Bühnenbild gewährt. Nur ab und an wendet er sich kurz zum Publikum. Edgar verschwindet.
Mit seinem Verschwinden wird die Leinwand aufgeschlitzt. Eine junge Dame tritt auf die Bühne. Sie spricht, doch ihre Sätze bleiben unvollendet. So treten auch sämtliche anderen Schauspieler in kurzen Abständen auf die Bühne. Immer wieder wird „der helllichte Mittag des neunzehnten August zweitausendund...“ thematisiert. Synchron kommt einem das Stimmengewitter der acht Darsteller entgegen, immer wieder bricht es vor der Nennung der Jahreszahl abrupt ab. Sie erzählen gemeinsam eine Tragödie, die das Leben aller Erzählenden betraf.
Der acht Jahre alte Junge, Edgar, wird von einem Auto erfasst. Lenkerin des Fahrzeugs war die engagierte Polizistin Edna, welche einen vermeintlichen Terroristen verfolgte, der mit 200 km/h durch die Straßen ratterte. Edgars Tod hinterlässt Trauer, Sehnsucht, Verzweiflung und Schuldgefühle.
Mit Ende der zehnminütigen Erzählung wird die Leinwand hochgezogen und die Bühne wird sichtbar. Nun beginnt die eigentliche Inszenierung basierend auf diesem tragischen Ereignis und seinen Folgen.
Die Bühne dreht häufig im Kreis, jedoch nicht nur der Kulisse wegen, sie wird auch als endloses Laufband in das Bühnenschauspiel eingebaut. Sie laufen und laufen, doch das Leben scheint nie komplett.
Das letzte Feuer erzählt von mehreren entmutigenden Einzelschicksalen. Der Vater, Ludwig, ist ein Mann der Vernunft, er lebt in einem Trott, den er pflichtbewusst hinnimmt. Seine Frau, Susanne, leidet sehr unter dem Verlust ihres Sohnes. Das Einzige, was ihr lieb war, wurde ihr genommen. Kein Stück Glaube ist ihr mehr geblieben, sei es an Gott oder das Schicksal. Sie verweigert jede Art von Gefühl, kann den Klang ihres Klavierspiels nicht mehr ertragen, den Geschmack von Essen nicht mehr dulden. Bei ihnen wohnt die demenzkranke Mutter Ludwigs. Sie erlebt den Tod „Edgarchens“ jeden Tag sechsmal von neuem und macht es dem Ehepaar damit unmöglich, zu vergessen. Die Nachbarin lebt ihre sexuellen Gelüste ohne Scham aus. Als sie an Brustkrebs erkrankte, wurden ihre Brüste amputiert. Nun ist sie auf der Suche nach einem Echtheitsgefühl neuer Prothesen, die ihr wieder das Frau-Sein ermöglichen sollen. Edna wird geplagt von schlimmen Schuldgefühlen. Olaf, welcher Lenker des rasenden Autos war, verschanzt sich in die Einsamkeit. Er taucht erst gegen Ende des Stücks mit einer kurzen Textpassage auf. Rabe, der mysteriöse Fremde, ist erst am Unglückstag in die Nachbarschaft gezogen. Er ist der ungesprächige Augenzeuge, der sich infolge des Unfalls das Fleisch seiner Finger bis auf die Knochen abgefeilt hat. Alle denken, dass sie den Tod des Jungen hätten verhindern können, und somit trägt jeder einen Teil der Schuld in sich. Dies bewirkt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, aus der sich Beziehungen, Liaisons und Freundschaften bilden. Aber auch Depression, Isolation, Angst, Mord und Suizid sind die Folgen dieser verheerenden Situation.
Das Theaterstück von Dea Loher ist eine humorlose Tragödie. Die Charaktere nehmen das Leben hin, ohne Hoffnung auf Besserung. Sie gehen an ihren persönlichen Schicksalen zugrunde. Einige Passagen in „Das letzte Feuer“ vermögen den Zuschauer emotional zu ergreifen. Andererseits sind sie jedoch meist zu wenig ausgebaut, um die Distanzierung des Publikums zu den dargestellten Personen zu lösen. Die psychischen Probleme steigern sich im Laufe der Geschichte in die Unermesslichkeit.
(ik)
Fotos: Christoph Sebastian