„Kasimir und Karoline“ entstammt der Feder Ödön von Horváths. Die Geschehnisse spielen in München und zwar zum Zeitpunkt nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Ausgezeichnet ist das Volksstück mit dem Motto: „Und die Liebe höret nimmer auf“.
Das Stück spielt beim Oktoberfest. Dominic Friedel lässt als Andenken an dieses die „grüne“ Wiese, die Souffleuse/Vorleserin (Nina Schnepf) trägt als einzige Tracht und Kirschenschnaps wird getrunken. Der Rest ist schlichtweg an „unsere Zeit“ angepasst. Unter den modernen Liedern aus den nicht mehr so aktuellen Charts wie Lady Gagas „Bad Romance“, „Chandelier“ von Sia etc., ausgezeichnet von Julia Richter und Silvana Veit live gesungen, fand sich ein Klassiker aus der Operette „Die lustige Witwe“ „Heute geh´ ich ins Maxim“, nostalgisch von Franz Xaver Zach gesungen.
Der Anfang des Stückes ist mit frauenfeindlichen Bemerkungen überfüllt. Nicht einmal die zu Horváths Zeiten als sehr harsch wahrgenommenen Ausdrücke, die unserer Zeit ein wenig entfremdet scheinen, jedoch auch heutzutage der feinen Gesellschaft eher fremd sind, können uns von diesen ablenken. „Was ist der Unterschied zwischen einer Frau und einer Gans?“, „Warum haben Frauen eine Hirnzelle mehr als ein Pferd?“, lässt Merkl Franz (Jan Brunhoeber) diese Fragen offen. Frauen werden Schlampen genannt, Erna wird von ihrem Mann, dem Merkl Franz, geschlagen, Frauen werden als Gummipuppen ausgenutzt, „unter die Gürtellinie geschlagen“: „Frauen gibt es wie Mist“, sagt Merkl Franz. Frauen handeln impulsiv, unlogisch, deren Handlungen sind nicht konsequent, sondern nur Rache. Dem Merkl Franz seine Erna (emotional und sehr stark von Henriette Blumenau verkörpert) will „lieber ein Mann sein. Ich halte nicht aus, wie Frauen riechen. Vor allem im Winter“.
Ab der Mitte des Volksstücks dreht sich die Wahrnehmung auf den Kopf, denn Frauen haben auf einmal das „Sagen“. Sie haben die Entscheidungsgewalt, sie jammern nicht, sondern kämpfen sich aus ihrer gegebenen Situation heraus, mit der sie nicht zufrieden sind, stellen sich dagegen, protestieren. Zum Schluss erscheinen Männer als Antipoden zu starken Frauen. Männer jammern über ihre Arbeitslosigkeit, über ihre Ausweglosigkeit, weil die Liebe nicht gefunkt hat, im Grunde über alles. Es sind Männer, die keine Männer, sondern Weicheier sind, die es nicht erkennen, was ein Kampf um eine Arbeitsstelle und somit um eine Positionierung bei einer Frau bedeutet, sondern nur aufgeben, sich über deren Gesellschaftsstellung beklagen und daher von den Frauen nicht wahrgenommen werden. Im Endeffekt bleibt für Karoline nur der unansehnliche schüchterne Rauch (Clemens Maria Riegler) übrig, der sich ihr gegenüber als Mann positioniert, indem er seinen Gegner, Herrn Schürzinger, den Zuschneider (Pascal Goffin), bekämpft. Nur scheint die Auswahl von Karoline wieder etwas unlogisch und impulsiv, denn sie nimmt Rauch nur nach dem Prinzip: bevor keiner lieber irgendeiner, denn ihre Entscheidung bereut sie bereits in Kürze, was sie weniger weiblich macht. Denn Rauch ist ein reicher Mann, der ihr einen Aufstieg bietet, was sie beim armen arbeitslosen Kasimir nicht finden kann.
Ob Ödön von Horváth frauenfeindlich war oder mit seinem Stück eine revolutionäre Wirkung betreffend der Stellung der Frauen, die zu seiner Zeiten wohl als Hausfrau und Mutter und nicht als eine berufstätige eigenständige Frau gesehen war, erreichen wollte, bleibt wohl offen. Bekannt ist, dass der Schriftsteller einmal verheiratet war. Die Ehe mit einer jüdischen Sängerin scheiterte nach einem Jahr.
Ein Herr aus dem Publikum hat unserer Redakteurin nach Aufführungsschluss in den Mantel geholfen. Dazu sagte er: „Das haben wir gerade alle auf der Bühne gelernt, wie man den Mantel anzieht.“ (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist wohl das geschickte Anziehen des Mantels durch Conrad Rauch, während er Karoline wie eine Beute über der Schulter hielt.) Hat wohl das Jammern der Männer und das Verzweifeln der Frauen doch einen umgekehrten Effekt auf die Männer geschaffen – sie zum Bemühen um die Frauen gebracht. Frauen gibt es wohl nicht wie Mist, sondern müssen diese gewonnen werden, indem ein Mann die anderen Männer nicht mit dem Jammern und Depressionen, sondern mit einer besseren gesellschaftlichen Positionierung übertrifft.
„Kasimir und Karoline“ am Schauspielhaus Graz - ein unterhaltsamer Abend, der viele zum Nachdenken bringt.
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Foto: Lupi Spuma/ Schauspielhaus Graz