„Dornröschen“ kennt jedes Kind als ein Märchen von einer Prinzessin, die von einem tapferen Prinzen aus dem Schlaf gerettet wurde und mit ihr das gesamte Königreich. Die Geschichte gehört schon zum Pflichtprogramm der Kindererziehung, die nicht nur eine schöne Geschichte, sondern mit dieser auch die Traditionen, den Glauben und die Ansichten aus der Zeit der Entstehung der Geschichte vermitteln. Kein Pflichtprogramm ist jedoch die Darstellungsform dieses Märchens.
Unter der musikalischen Leitung von Marius Burkert wurde an der Grazer Oper eine Interpretation des Märchens aufgeführt, die nur noch einmal, und das am 8. November, zu sehen ist. Das gesamte Orchester, das man normalerweise aus dem Orchestergraben ertönen hört, wurde auf die Bühne verlagert, was vor allem bei den Kindern für Begeisterung sorgte, denn man konnte nun die ganzen Musikinstrumente ganz genau ansehen und erkunden.
Dass ein Orchester der Hauptdarsteller in einem Opernstück ist, dreht die gesamte Wahrnehmung des Stückes auf den Kopf. Denn man ist gewohnt, die Musik als eine Begleiterscheinung eines Stückes, das die unterschiedlichsten Emotionen vermittelt, bestimmte Ereignisse ankündigt, zu sehen. In „Dornröschen“ von Engelbert Humperdinck ist das Orchester der Hauptdarsteller des Opernstückes, wobei man richtig in den Genuss der feinen Töne der Instrumente kommt und ganz genau nachvollziehen kann, welches Instrument gerade welche Melodie gespielt hat.
Sehr charmant und treffend war das Bespielen der Melodiengeschichte von „Dornröschen“. Die Sänger, der Chor, die Erzählerin haben weiterführend die Geschichte von Dornröschen an den Zuschauer weitergetragen.
Stereotypenhaft und gesellschaftlich konform wurde auch diesmal die Geschichte von „Dornröschen“ erzählt. Der junge Prinz namens Reinhold (Peter Sonn) sehnt sich nach einer schönen gleichaltrigen Unbekannten, beide unerfahren und beide blutjung. Der Prinz ignoriert die Verführung, von der bösen Fee Dämonia (Iris Vermillion) hervorgebracht – junge Frauen boten ihm Früchte und Vergnügen. Auch
Dämonia selbst, einer älteren Frau mit hohen Ambitionen, winkt der Prinz leichtherzig ab. Hoch gepriesen wird die Vorstellung eines gleichaltrigen unerfahrenen Paares, das einander ewige Liebe und Zuneigung verspricht und deren Lebensgeschichte mit der Phrase „und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…“ endet.
Genial und leicht zu erkennen waren die prächtigen Kleider von den Feen Dämonia, Rosa (Sophia Brommer) und Morphina (Dshamilja Kaiser), jede mit einem im Ton zum Kleid gefärbten Pelz geschmückt. Dornröschen trug stereotypenhaft ein jungfräuliches Kleid, das einerseits ihr noch kindliches Gemüt und andererseits ihre Weiblichkeit stark zur Betonung brachte (freizügiges Dekolleté).
Während der Vorstellung hat sich die Oper mehr oder weniger nach einem „Dornröschen“ für Erwachsene angefühlt. Die im Zuschauersaal in der Minderheit anwesenden Kinder bewegten sich unruhig auf dem Sitz, es schien ihnen ein wenig an Bewegung auf der Bühne zu fehlen. Der Eindruck täuschte, denn in der Pause sowie noch am Morgen nach der Vorstellung erzählte unser Jungredakteur Jordan, 5 Jahre alt, jedem seine Wahrnehmung und die Begeisterung über die Premiere. Auf die Frage, wie die Vorstellung war, gab es eine sichere Antwort: „Ganz gut!“.
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Foto 1 im Text: Engelbert Humperdinck
Foto 2 im Text: Engelbert Humperdinck mit Ehefrau Hedwig Humperdinck