08.04.2010 |
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Bekenntnisse eines gelassenen Kultstars
Nina Hagen über den Mythos „Orgasmusschwierigkeiten“
Ottakringer Brauerei. Gerstenboden. Vor dem Gebäude drängeln sich die Vertreter der gesamten Wiener Medien. Es ist kurz nach zwölf, sie verspätet sich. Die Stimmung ist heiter, alle warten ungeduldig. Und dann ein Zeichen: Ein Auto nähert sich und hält direkt vor der Tür. Sie ist angekommen: Nina Hagen.
Nina Hagen posiert lässig vor den Kameras, die Männer wirbeln um sie herum, bringen ihr Kaffee, rühren ihr den Zucker – ein Star in seinem Element. Doch worum sollte es eigentlich gehen? Genau, das Kulturfestival „Uferlos“.
2009 fand im Wiener Theater Akzent das erste Mal das Kulturfestival „Uferlos“ statt. Die zweite Auflage dieses Festivals soll noch größer und besser werden: Vom 18. Juni bis zum 2. Juli, kurz vor der Regenbogenparade - quasi als Zusatzprogramm - soll das Queer-Kulturfestival in der Wiener Stadthalle stattfinden. Bekannte Künstlerinnen und Künstler wie Marianne Rosenberg, Irmgard Knef, Alfred Biolek und auch Nina Hagen werden ein reichhaltiges Programm von Gospel, Pop und Rock, bis hin zu Chansons und Kabarett bieten.
„Für mich war die Qualität der Künstler eigentlich am Wichtigsten“, antwortet Edmund Scholz, der Ko-Veranstalter des Festivals, auf die Frage, ob die neue Zielgruppe vor allem Frauen seien. Das Festival soll facettenreich sein und sich dadurch von anderen Festivals abheben.
Ein besonderes Highlight ist natürlich die Punk-Diva Nina Hagen, die bereits ihr 40. Bühnenjubiläum feiert. Sie präsentiert nicht nur ihr neues Buch „Bekenntnisse“ (erschienen im Pattloch Verlag), sondern widmet sich auch einer Tour, auf der sie vor allem Gospel-Songs zum Besten geben möchte, weil ihr das schon immer ein Anliegen war.
Fragt man Nina Hagen, ob sie sich im Laufe der Jahre verändert hat oder ob ihre Werte und Einstellungen gleich geblieben sind, kontert sie mit dem Problem der Atomwaffen im Iran und der Ungleichheit in der indischen Religion. Nina Hagen weiß, wie sie Fragen zu ihrem Privatleben umgeht. Und Nina Hagen weiß, wie sie sich am besten vermarktet: Indem sie ihrem Image der ewigen Rebellin gerecht wird. Mit diesem Konzept hat sie es auch fertig gebracht, so lange im Business präsent zu bleiben, sie ist ein Künstlerin, die nicht nachahmt, sondern nachgeahmt wird.
Die wenigsten weiblichen Stars können mit ihrer der Porno-Industrie entlehntem Gehabe heutzutage noch als vorbildliche Frauenbilder gelten. Für Nina Hagen hat „sexy Sein“ eine ganz andere Bedeutung: Man punktet mit Ausstrahlung, Selbstbewusstsein, aber nicht durch Äußerlichkeiten.
Angesprochen auf ihre Skandale, dass sie in den 70ern und 80ern als Schock für die Elterngeneration galt, antwortete Nina Hagen:„Die Erwachsenen waren ein Schock für mich, weil es gab so viele verbitterte Gesichter. Dieselbe Art von Gesichtern hat in dieser Talkshow über die Weiber und ihre Orgasmusschwierigkeiten gemeckert. Das kann doch eine gesunde Frau nicht auf sich sitzen lassen, und somit erklärte ich, dass es so etwas wie Orgasmusschwierigkeiten bei Frauen gar nicht geben kann. Das ist ja nur ein Mythos, weil das ist alles historisch belegt, wie es geht. Eine gute, gesunde Sexualität ist richtig wichtig für die Frau. Sexualität ist ein von Gott geschenktes super Geschenk und wir dürfen glücklich und stolz auf unsere Sexualität sein, daher verstehe ich die ganze Aufregung darüber nicht.“
Nur in der Politik würde sie sich nicht ernst genommen fühlen, obwohl ihr die politischen Ereignisse in der DDR und auch die aktuellen Ereignisse im Irak sehr am Herzen liegen. Mit ihrer Musik kann Nina Hagen viel mehr Menschenherzen erreichen und dadurch die Welt verändern, oder zumindest einen Beitrag dazu leisten, was ihr aber in der Politik unmöglich wäre.
Zwei hoch gebundene Pferdeschwänzen, schrilles Make-Up, Petticoat-Kleid und leicht abgekratzter Nagellack – das ist Nina Hagen, wie sie immer schon war, und wie sie wohl immer bleiben wird, mit ihren Überzeugungen, ihrem Glauben hinter der Entertainermaske. Ihre rebellische Seele ist eigentlich längst beruhigt, denn ihr Ziel erreichte sie schon vor Jahren: Nina Hagen ist eine Sängerin, ein Kultstar, eine, wie es keine zweite gibt.
Kulturfestival „Uferlos“ vom 18. Juni bis zum 2. Juli, Nina Hagen am Kulturfestival „Uferlos“ am 26. Juni in der Wiener Stadthalle.
(vs & dw)