„Manche Kinder sind so unbeweglich, dass wir sie wieder wegschicken müssen. Bei jedem Sprung nach dem Ball muss man sonst Angst haben, dass sie sich das Genick brechen.“ Der Trainer, der das sagte, arbeitet nicht mit Schlangenmenschen – es geht ums Fußballspielen.
Die-frau sprach mit einem Nachwuchstrainer einer der großen heimischen Clubs und stellte dabei fest, dass das Dogma des Stillsitzens nicht mit sportlichen Höchstleistungen in Einklang zu bringen ist.
Die Kinder kommen immer früher in den Kindergarten und dort ist das allererste, das sie lernen, still zu sitzen. Erfahrungsgemäß schaffen es 20 Kinder in 30 verschiedene Richtungen gleichzeitig auseinander zu laufen, wenn man sie nicht unter Kontrolle hat. Dass das zu Schwierigkeiten in Hort und Co. führt, ist selbstredend. Genauso wie es für einen humanen Alltag einer Tagesmutter oder Kindergartenpädagogin essentiell ist, dass die Kinder lernen sich in Strukturen einzufügen, Zweierreihen zu bilden und in Reih und Glied zu marschieren.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Kleinen ein immenses „Freizeitprogramm“ zu absolvieren haben. Die Fülle an Kursen, Frühforderung etc. erlaubt es nur noch sehr begrenzt, Kind zu sein und mit Gleichaltrigen zu toben und zu spielen.
Das alles kommt wie ein Bumerang zurück, möchte eltern, dass der Junior ein Fußballgott wird. Die Buben haben verlernt, zu laufen, zu springen, zu fallen, ohne sich gleich schwer zu verletzen. Was die Kinder früher von früh bis spät alleine gemacht haben, aus purer Lust an der Freude, muss nun in der U7 erlernt werden: „Im ersten Jahr machen wir nichts anderes, als dass die Kinder dem Ball nachlaufen. Ihre Aufgabe ist: „Erwisch den Ball. Egal wie.“ Da wird noch keine Technik, keine Taktik trainiert.“
Iker Casillas wuchs in einem Madrider Arbeiterviertel auf. Für Kinder wie ihn gab es weder Musikstunden, noch Judo, noch Altgriechisch. Es gab nur den Fußball und dieser ging schon eine beinahe symbiotische Beziehung mit den Kinderfüßen ein, so sehr wurde das runde Leder von ihnen strapaziert.
Das Überangebot an Kursen dämpft das Eigeninteresse und die Freude an der Bewegung der Kinder aus, so scheint es. Spätestens in der Schule schlagen dann die Pädagogen Alarm, weil viele Kinder übergewichtig und unterbewegt sind. Dies setzt umgehend wieder eine künstliche Maschinerie mit Ernährungsumstellung und Sportplan in Gang. Was völlig auf der Strecke bleibt, ist das ungehinderte, unbeobachtete, uninstitutionalisierte Laufen, Toben, Spielen, Rangeln und Springen der Kinder.
Wäre bei Lionel Messi ADHS diagnostiziert worden, hätte er Ritalin verordnet bekommen, wäre eine Weltkarriere wie seine wohl in unerreichbare Ferne gerückt.
„Bei uns lernen die Kids auch viel fürs Leben. Wir zeigen ihnen, dass man Bitte, Danke, Grüß Gott und Auf Wiedersehen sagt, und dass man nicht den Kopf senkt, sondern seinem Gegenüber in die Augen sieht, wenn man mit ihm spricht. Wir geben ihnen Selbstvertrauen. Ein ewiger Ja-Sager wird in der Mannschaft untergehen. Sie müssen sich behaupten können. Gleichzeitig muss man aber auch dafür sorgen, dass sie nicht abheben.“
Den jungen Menschen fehlt oftmals die Basis. Sie lernen zwar im Vorschulalter schon ein bis zwei Fremdsprachen, schaffen es aber nicht von sich aus zu grüßen. Ohne Fundament kann kein Haus gut stehen, warum wird es aber von unseren Kindern verlangt?
KWH
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