Das Wochenende und Feiertage sind immer die perfekte Zeit dafür, mit meinem Sohn etwas zu unternehmen. Dies aber nicht nur im Sinne von zum Spielplatz gehen und dort in der Sandkiste buddeln. Sowohl er als auch ich entdecken die Welt und die Menschen aktiv. Mit meinem Sohn habe ich die schöne Seite der menschlichen Kommunikation entdeckt. Bei ihm kann sich jeder einiges abschauen! Z.B. wie er auf Menschen zugeht. Ohne Hintergedanken, was sein Gegenüber über ihn denkt oder wie er wohl auf ihn reagieren wird und ob er Dinge, die er zu ihm sagt, gegen ihn verwendet. Er nimmt einfach einmal Kontakt auf. Wenn er jemandem zu lästig wird, spürt mein Sohn das sofort und zieht sich zurück. Oder besser gesagt, ihn interessiert diese Person ebenfalls nicht mehr.
Menschen anzusprechen und sie über Sachen auszufragen, die sie vielleicht als zu peinlich oder privat finden, ist noch nicht der Bereich, in dem ich fest im Sattel sitze. Doch Übung macht den Meister. Daher überwinde ich immer wieder aufs Neue und quatsche die Menschen einfach so auf der Straße an. Egal um welches Thema es geht. Nach dem Prinzip: Wenn ich lästig werde, wird der oder diejenige mich einfach wegschicken oder die Frage ablehnen. Was „Schlechteres“ kann eh nicht passieren. Meine Angst ist jedoch oft, dass ich durch die lästigen oder „privaten“ Fragen zu einem Außenseiter werde, was natürlich keiner sein will.
Beim Hilmteich in Graz in einer Hängematte schaukelte zuerst ein Mann eine Frau und dann scheinbar aus Dankbarkeit dafür schaukelte diese Frau den Mann, was ich bereits als wenig sexuell empfand. Der Mann schlug meinem Sohn Jordan vor, sich zu ihm in die Hängematte zu setzen und mein Sohn ging mit offenen Armen auf ihn zu. Da die Sprache, die die beiden Unbekannten sprachen, eine ähnliche Melodie wie meine Muttersprache (Ukrainisch) hatte, fragte ich beide nach ihrer Herkunft. „Bosnier“, erwiderte der Mann. Er fragte mich dann zurück, wo ich denn herkomme und welche Nationalität der Vater von Jordan habe.
Dann kam die entscheidende Frage, die eigentlich zum Auslöser dieses Artikels wurde: „Und, ist er brav?“. Ich zuckte zusammen. Ich sagte gleich, ich würde die Frage nicht verstehen und kurz darauf wurde es mir klar. Ich fragte ihn zurück: „Werden Sie denn gerne erzogen?“ Damit wollte ich eigentlich fragen, ob er denn gerne ein Mann oder lieber ein Buberl ist. Letzteres würde heißen, dass er von seiner Frau erzogen würde und somit ihr Baby und somit kein Mann wäre. Er meinte darauf nur:“ Wenn er nicht brav ist, ist es sehr schlecht…“ Und sah seine Frau an. Diese verzerrte das Gesicht von fröhlich ins Grantige.
Die Konklusion ist klar und deutlich: Der Mann verzichtet lieber auf die inhaltlichen Diskussionen und kritisiert seine Frau nicht, um mögliche Streits und das grantige Gesicht seiner Frau zu vermeiden. Er bleibt lieber brav. Denn wenn er brav ist, darf er sie vielleicht ficken…
Einerseits gibt es mittelalterlichen Dogmen und Annahmen, dass die Frauen in der Ehe die Beine breit machen und ihrem Mann dienlich sein sollen, in der Tat besitz jede Frau die Macht über den Mann. Jeder Mann hat die Wünsche einer Frau zu erfüllen, nämlich ihr einen Orgasmus zu verschaffen. Nichtdestotrotz ist es die Entscheidung jeder Frau, ob sie sich jetzt auszieht oder nicht und ob sie es zulässt, dass seine Hand sich ihrer Vagina annähert. Jede Frau hat die Wahl, wenn sie lustvoll ist, „ja“ zu sagen oder wenn sie gerade nicht geil ist „nein“ zu sagen. Die Gesellschaft sieht eine Beziehung, eine Ehe jedoch anders aus: Sex gehört in eine Beziehung, wenn auch oft für die Beziehung und für den Stressabbau und zum Spaß eines Mannes.
Das Ergebnis sind die ewigen Lügereien und Unehrlichkeiten, die eine Beziehung nicht gerade einfach machen und unter anderem ein schlechtes Vorbild für die Kinder sind, wie man im Leben mit dem Lügen und Unehrlichkeiten nicht weiter kommt. Die Frage ist nun, ob wir das für unsere Kinder wünschen? Ob wir es uns wünschen, dass die Menschen, die uns umgeben, mit denen wir tagtäglich zu tun haben und mit denen wir eine Zukunft aufbauen wollen, uns gegenüber nicht offen und ehrlich sind, sondern die Tatsachen verschweigen und hinten rum lauschen, um mögliche Konflikte zu vermeiden? Ist es unser Wunsch: eine Zukunft, die auf dem holprigen Sand aufgebaut ist? Es ist vielleicht einer Überlegung wert, ob man mit den Menschen zu tun haben will, die uns sagen: „Dieses Kleid steht dir aber super gut!“. Und am Telefon zu einer Freundin dann beichen:“ Die fette Kuh hat heute ein Kleid gekauft, in dem sie ausschaut, als ob es eine Verpackung für eine Wurst wäre!“. Ist das die Lebensqualität, die wir uns wünschen? Auch wenn die Wahrheit oft schmerzt und die Kritik uns oft in unserer eigenen Wahrnehmung nieder macht, wollen wir deswegen auf diese verzichten? Immerhin können wir die Welt nicht verändern. Und wie mit uns gesprochen wird, können nur wir selbst beeinflussen. Ob die Menschen uns die Wahrheit sagen, oder uns gegenüber hinterlistig sind, ist das Ergebnis unseres Verhaltens. Letztendlich haben wir die Möglichkeit und die Chance, uns selbst zu verändern. Dies ist jedoch ausschließlich mit einem Feedback von außen schaffbar. Ob im Beruf, in der Partnerschaft, in der Familie, in dem Freundeskreis, jede Umgebung beeinflusst unser Leben und unser Weiterkommen.
Varvara Shcherbak