In einer Ausgabe der Kronen Zeitung in der Tierrubrik wurde ein Versuch gemacht, den Leser davon zu überzeugen, dass Tiere ein Beispiel der Treue sind. Ja, der Treue, und der Mensch sollte von den Tieren lernen, wie man gemeinsam alt wird.
Entgegen dieser Idealvorstellung steht das Buch „The Myth of Monogamy“, verfasst von der Psychiaterin Judith Eve Lipton und ihrem Ehemann, dem Biologen David P. Barsch, der Psychologie an der University of Washington unterrichtet. In seinem Buch kommt das Ehepaar zum Schluss, dass Polygamie natürlich ist. Eines der wenigen Lebewesen, das nicht betrügt, ist Diplozoon paradoxum, ein Fischparasit. Doch auch er kann dem Menschen kein Vorbild sein. Denn seine Treue beruht auf der Unfähigkeit, fremdzugehen. Denn die Körper der Männchen und Weibchen wachsen nach einem kurzen Treffen zusammen. Somit haben sie nicht einmal eine Chance, fremdzugehen.
Trotz aller Vorstellungen betrügen auch Vögel. Sowohl Weibchen als auch Männchen. Die Vögel treiben es jedoch geheim. Denn sollte ein Weibchen erwischt werden, verlässt das Männchen das Nest. Alleine kann das Weibchen unmöglich das Ei ausbrüten. Das Fremdgehen wurde erst durch DNA-Analysen erkannt, die zeigten, dass der Nachwuchs eines Vogelweibchens von unterschiedlichen Männchen stammt. Bis zu 70% der Vögel sind Fremdgeher. Und Schwäne, die nach der breiten Meinung ideale Lebenspartner sind, mögen ihr Leben lang zusammen bleiben, jedoch betrügen sie einander, vor allem gedanklich, ebenso lebenslang.
Auch Säugetiere sind keine Treue-Hüter. Der Grund ist die genetische Ausstattung des Nachwuchses: möglichst viel Nachwuchs mit möglichst unterschiedlichen Genen zu bekommen. Eine Grundlage der Evolution, die noch im vorletzten Jahrhundert durch Darwin beschrieben wurde. Auszug aus der Beschreibung der natürlichen Selektion auf wikipedia: „Entscheidend ist, dass die Erbanlagen von Individuen nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit weitergegeben werden.“ Da bei Säugetieren die Männchen nicht für die Aufzucht der Jungen gebraucht werden und das Weibchen länger trächtig ist und danach noch über einen längeren Zeitraum säugt, währenddessen keine Lust auf Sex hat, schauen sich die Männchen nach neuen Partnerinnen um. Jedoch trägt das so genannte Fremdgehen nicht nur zur Verbesserung der genetischen Ausstattung des Nachwuchses bei, sondern verbessert zusätzlich auch den Status eines Männchens, den man mit der in unserer menschlichen Welt vorkommenden sozio-ökonomischen Position vergleichen kann.
Die Biologie kennt keinen Stiefvater
Ein Männchen, das ein Weibchen, das gerade ihr Junges aufzieht, begatten will, wird das Junge zuerst töten, damit es mit dem Weibchen neuen Nachwuchs zeugen kann. Zum Schutz der Jungen bleiben daher einige Männchen bei den Weibchen, bis der Nachwuchs auf eigenen Beinen steht.
Doch als wahrscheinlicherer Grund für Monogamie wird die Zusammenfassung nach einer Studie von Dieter Lukas und T.H. Clutton-Brock bezeichnet: Die Weibchen suchen sich größere Futterreviere aus, von denen sie weitere Weibchen fern halten. Je größer das Revier, desto schwieriger kann ein Männchen eine neue Partnerin finden.
Nicht jedes Männchen hat das Zeug dazu, Alpha-Männchen zu sein
Viele Tiere leben in Gruppen. In jeder solchen Gruppe gibt es ein Alpha-Männchen, das die Weibchen begattet und somit für die Weitergabe seiner Gene sorgt. Will ein anderes Männchen seine Position, so muss es sich durch Kräftemessen beweisen. The winner takes it all.
Doch es passiert, dass manchen Tieren das Kämpfen um ein Weibchen schlicht zu anstrengend ist. Lieber bleiben sie gleich bei der gleichen Partnerin, hüten die Jungen und warten, bis das Weibchen wieder zu begatten ist.
Davon ausgehend kann man sagen, dass Monogamie erst mit einem schwächeren und somit vermutlich genetisch schlecht ausgestatteten Partner möglich ist.
In der Menschenwelt ist Monogamie ein Kompromiss, ein Vertrag zwischen Mann und Frau. Die Erfindung der Eheschließung brachte mit sich die Abhängigkeit der Frau vom Mann und stellte sie hinter den Herd.
Partner bedeutet zusammenzuleben, nicht jedoch zwangsläufig, miteinander Sex zu haben
Peter Kappeler, Professor für Soziobiologie und Anthropologie an der Universität Göttingen und Leiter der Abteilung Verhaltensökonomie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum sagt gegenüber zeit.de: "Paarleben beschreibt nur, wer mit wem lebt. Es sagt erstmal nicht, wer sich mit wem paart und schon gar nicht, wer mit wem Nachwuchs zeugt."
So haben sich die Menschen entschieden, als Ausnahme einander treu zu bleiben. Auch die Autoren des Buches "The Myth of Monogamy", über das wir am Anfang dieses Artikels berichteten, sind bereits seit 34 Jahren ein Ehepaar und verweigern jede Art von Verführung.
Die Frage stellt sich nicht, ob man auf einmal zwanghaft sein Leben ändern sollte, nur weil es heißt, dass das Gelebte nicht dem natürlichen Vorgang entspricht. Wie gesagt, Ausnahmen bestätigen die Regel. So kann auch der Mensch sich für ein Leben entscheiden, das zwar nicht dem natürlichen Vorgang entspricht, jedoch von der Gesellschaft als Idealvorstellung dargestellt wird. Wichtig ist, das zu erkennen, ehrlich zu sich und der eigenen Umwelt sein.
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Foto: faberga
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