Bekommt die Frau in der Ehe die uneingeschränkte Kontrolle über den Mann oder verliert sie ihre eigene Freiheit?
Ein Plakat in der Nähe der Votivkirche in Wien wartet mit dem Spruch „unter die Haube kommen“ auf. Eine Recherche über die genaue Bedeutung und Herkunft dieses Ausdrucks ergab nicht nur in anderen Sprachen jeweils andere Bedeutungen. Auch die Menschen verstehen jeweils andere Dinge darunter. So meinte ein älterer Mann, der Satz würde darauf hinweisen, dass die Frau in einer Ehe die Macht über den Mann erhält. Eine junge Frau hingegen war der Ansicht, dass „unter die Haube kommen“ gleichzusetzen ist mit dem Verlust der Freiheit der Frau, nachdem sie geheiratet hat. Googelt man den Spruch, so entdeckt man, dass er ursprünglich nur bei Frauen verwendet wurde und darauf verweist, dass früher nur unverheiratete Frauen ohne Kopfbedeckung in die Öffentlichkeit gehen durften, verheiratete Frauen hingegen durften ihr Haar nicht offen tragen.
Jede Frau kennt die oft gestellte Frage, ob man mal heiraten will. Angeblich wird einer Frau der Wunsch zugeschrieben, zumindest einmal in ihrem Leben gefragt zu werden „Willst du mich heiraten?“, um sich anschließend stolz den Verlobungsring (am besten diamantenbesetzt) über den Finger streifen und sich vom Vater unter Anwesenheit der Trauzeugen zum Altar führen zu lassen. Aber ist das wirklich die Traumvorstellung jeder Frau? Oder geht diese Annahme eher vom Mann aus, der meint, dem Wunsch der Frau nachzugehen, ihn für immer und ewig an sich zu binden? Für viele Frauen steht heutzutage fest, dass eine Ehe nicht zur Lebensplanung gehört. Doch wer wird dann mehr enttäuscht? Der Mann, der fragt und eine Abfuhr bekommt? Oder doch die Frau selber, die sich damit „den schönsten Tag ihres Lebens“, wie es so schön heißt, verdirbt? Nach wie vor heiraten viele Frauen nicht, weil sie es wirklich wollen, sondern weil die gesellschaftlichen Vorstellungen es einfach so erwarten. Was ist also die Heirat – eine freiwillige Entscheidung oder eine von der Gesellschaft vorgesehene Pflicht?
Auch Hollywood verbreitet seit Jahrzehnten die Annahme, dass eine Frau sich nichts sehnlicher wünscht, als zu heiraten. Und wenn sich dann in einem Film wie „Die Braut, die sich nicht traut“ Julia Roberts weigert, „Ja“ zu sagen, fragt sich der Zuschauer verwundert: Ist das normal? Doch dann stellt sich ebenso die Frage: Ist eine ewige Bindung an einen einzigen Menschen normal? Auch wenn es im Tierreich keine Heiratsanträge und Ringe und große Feiern gibt, so findet man dort alle möglichen Lebensformen. Am weitesten verbreitet ist wohl die ständige Suche nach neuen Partnern zum Zwecke der Fortpflanzung. Es gibt aber auch männliche Tiere, die mehrere Weibchen haben, weibliche Tiere, die mehrere Männchen haben, Bindungen zu einem Partner über ein oder mehrere Jahre und sogar Bindungen, die ein Leben lang halten, etwa bei Tauben. Zu welcher Art gehören die Menschen?
Eine Frau, deren Eltern geschieden sind, die mit einem Stiefvater aufgewachsen ist und die Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen, die ein Eheleben mit sich bringen kann, miterlebt hat, überraschte mit der Aussage, sie sei trotzdem überzeugt davon, dass es möglich ist, eine feste und glaubwürdige Familie auf der Basis einer Ehe gründen zu können. Die Grundlage dazu ist die Annahme, dass sie ihre Mutter übertreffen können wird. Ihre Mutter hat es nicht geschafft, die Familie und die Ehe aufrecht zu erhalten, sie aber könne dies. Naheliegend wäre doch zu sagen, sie solle aus den Fehlern ihrer Mutter lernen. Auch die Statistiken zeigen, dass immer mehr Ehen geschieden werden. Und trotzdem geht die Zahl der Eheschließungen kaum zurück. Wenn der Mensch für die Monogamie geschaffen ist, warum klappt es dann so selten? Oder umgekehrt gefragt: Wenn der Mensch nicht für die Monogamie geschaffen ist, warum sucht er sie dann trotz aller Hindernisse und offensichtlicher Unfähigkeiten dazu, so dringend? Kann dieser Wunsch nach immerwährender Zweisamkeit nur durch den Druck der Gesellschaft, die Tradition und die Angst, allein zu bleiben, erklärt werden?
(vs)