Am Rückweg vom Filmfestival in Cannes wurde eine kleine Besichtigung in Monaco eingeplant. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen geheimnisvollen Serpentinenweg, der uns zu einem wunderschönen Areal samt wunderschönem Hotel und Pool führte. Der erste Eindruck war umwerfend. Was danach kam, war ebenfalls umwerfend, hatte nur mit wunderschön nichts mehr zu tun.
Bonjour Fadesse!
Die Angestellten trugen neben denselben Uniformen auch dieselbe Langeweile im Gesicht.
Wir stellten uns als Redakteurinnen vor, die über das Hotel berichten wollten, und verlangten nach dem Hotelmanager, um mehr Informationen über sein Haus zu erhalten. Die Empfangsdame rief ihn an und die erste Frage, die der Manager stellte, war: „Wie sind die hier reingekommen?“ Jedenfalls erklärte er sich bereit, uns nach seinem Konferenzgespräch für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Wir sahen uns den Pool und die Terrasse an und machten Fotos für unseren Bericht. Das wurde von zwei Empfangsdamen sofort gestoppt, denn die Hotelgäste bräuchten Ruhe.
Es wurde uns mitgeteilt, dass wir in der Hotelbar Getränke einnehmen dürften. Diese Information drang erst nach gut 15 Minuten bis zum Servicepersonal vor, denn erst dann kam die erste Frage nach Getränkewünschen.
In der Bar waren wir die einzigen Gäste. Obwohl eine verwaiste Mineralwasserflasche samt benutztem Glas auf einen Vorgänger schließen ließ. In der vielleicht guten Absicht uns nicht so einsam fühlen zu lassen, nahm das Servicepersonal während unseres gesamten
Aufenthaltes von gut 1,5 Stunden die Bestellung des Vorgastes nicht vom Tisch.
Der einjährige Sohn meiner Kollegin versuchte ständig die Orchideen, die auf dem Tisch standen, zu „pflücken“. Ich wollte sie auf einen anderen Tisch stellen, doch der Ober meinte, er mache das schon. Die Orchideen teilten das Schicksal der verwaisten Mineralwasserflasche.
Der Hotelmanager brachte uns freundlicherweise eine prallgefüllte Pressemappe und antwortete auf alle unsere Fragen. Leider konnten wir nichts über die Eigentümerfamilie erfahren, denn über diese dürfe nicht gesprochen werden.
Es würden auch viele Stars absteigen, aber man würde niemals Namen erfahren. Das spricht selbstverständlich für das Hotel.
Ein Spa, das keine Wünsche offen lässt, mehrere Suiten, von denen jede ihre eigene originelle Einrichtung hat, ein Fitnessraum, ein Sitzungssaal für Delegationen und Veranstaltungen, das Restaurant mit Chefkoch Patrik Raingeard, der die Gaumen verwöhnt – all das gibt es laut Hotelmanager und Pressemappe im Hotel Estel. Gezeigt wurde uns nichts davon. Das einzige, das wir ausgiebig genießen durften, war der lamentabele Service und die unvergesslich gelangweilten Gesichter sämtlicher Angestellten.
Nach langen, bangen Minuten, ob unser Ersuchen nach der Rechnung erhört wurde, schaffte der Kellner es von irgendwoher die Kreditkartenmaschine zu organisieren und sie uns zu bringen.
Von der Höhe der Rechnung würde man auf ein perfektes Service schließen. Die Realität sieht anders aus. Man hat das Gefühl von Nepp auf höchstem Niveau.
Dabei war unser Ziel eigentlich die Riviera noch mal ganz von oben und im Großformat zu bewundern. Ein schneller Kaffee zwischendurch kann jedoch nie schaden. Der erste Eindruck von dem Hotelgelände war ein Aha-Erlebnis. Da uns der Zugang zum Pool, Spa und dem kleinen Kaffeehaus neben dem Pool ganz an der Küste verweigert wurde, weil die Hotelgäste dadurch möglicherweise aus ihrer Ruhe und Einsamkeit gerissen würden, ließen wir uns auf den schicken Sofas neben der Bar nieder. Auch wenn wir die einzigen Gäste waren, wurden wir nicht verwöhnt. Im Gegenteil: Wir konnten die Vorteile unserer Komplett-Bewaffnung mit IPads und IPhones vollkommen genießen. Auch das Buch über das Hotel, das übrigens um 150 Euro für die Presse gleich am Ort zu erwerben ist, wurde von uns zu Handen genommen. Mit der Rechnung beeilte sich ebenfalls niemand. Offenbar tickt hier alles nach dem Motto: die Zeit bleibt stehen, die Eile wurde zu Hause vergessen. Jeder lässt sich Zeit. Kann das ein Erfolgsrezept für ein Hotel sein? Sowohl vor als auch während, als auch nachdem wir die Tische verlassen haben, blieb ein Getränk von unserem Vorgänger auf dem Tisch stehen. Der Kaffee, der preislich weit über den üblichen 2,50 Euro lag, war geschmacklich mit einem von „Barista´s“ nicht zu vergleichen. Daher werden viele Punkte für das Service abgezogen.
An einem Hotel wie dem „Cap Estel“, das in einer wunderschönen Gegend, versteckt vom Auge eines durchschnittlichen Touristen, errichtet ist, dürfte es an nichts fehlen. Spa, Pool, mehrere Suiten, von denen jede ihre eigene originelle Einrichtung hat, Trainingssaal, ein Diskussionssaal für Delegationen und Veranstaltungen, das Restaurant, gewürzt mit dem Chefkoch Patrik Raingeard, der Ort, wo man sich verstecken kann und gelassen den Alltag vergessen und den Urlaub und die Zeit für sich genießen kann. Die Preise steigen bis in den Himmel und somit ist auch gesichert, dass kein Normalsterblicher seine Nase hier hereinsteckt. Das Einzige, was fehlt, ist der laufende Betrieb. Die Preise in den meistbesuchten Monaten sind sehr niedrig, dafür gehen die Preise in den restlichen Monaten in die Höhe. Der Kunde ist zwar zufrieden, das Geschäft läuft jedoch nicht, da es nicht wirtschaftlich geführt wird. Vom 2. Jänner bis einschließlich 2. März 2012 sperrt das Hotel zusätzlich zu.
Als ich die Dame am Empfang nach der Presseinformation fragte, zeigte sie sich besonders ahnungslos. Nur der Manager gab eine Mappe mit umfangreichen Informationen auf Englisch und teilweise auf Deutsch her. Es wurde mir außerdem angeboten ein Buch von denen, die auf den Tischen ruhten, mitzunehmen. Dies um einen Preis von „nur“ 150 Euro. Interessant ist die Widmung des Buches von Stanley Lewis. Zusammen mit seiner Frau ist er gleich auf der Seite daneben abgebildet. Beide sind seit 2000 die Inhaber des Hotels. Als wir als Online-Frauenmagazin für die ausgefallenen Frauengeschichten, die mit dem Schauplatz in Verbindung kommen, nachfragten, wurden wir kurz und bündig abgefertigt: Es gibt keine. Der Manager wurde rot, lächelte höflich. Die Gäste wünschen nicht genannt werden, verriet sein Gesichtsausdruck. Wir lächelten zurück und respektierten deren Wunsch, hatten aber die Hoffnung, dass auch dieser Ort von interessanten Frauengeschichten spuckt.
Als Conclusio kann man anführen, dass jeder Schick seine Grenzen hat. Hier sind es das Leben und die Unterhaltung. Oder wollen sich die Prominenten und die Reichen vor der Unterhaltung verstecken? Um zu einem Ort weg zu laufen, wo sogar das Personal vor purer Langweile einschläft? Oder hilft außer dem Ambiente des Hotels auch das aktive Unterhaltungsprogramm die Kassen in den Monaten, die bis dato noch nicht besonders geschäftlich waren, zum Klingen zu bringen?
Varvara Shcherbak