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Sprachbarrieren und der Dialekt als Fremdsprache
08.06.2013
„My Fair Lady“ das ewig junge Musical nach George Bernard Shaws »Pygmalion« und dem Film von Gabriel Pasca, mit der Musik von Frederick Loewe wurde gestern an der Grazer Oper unter der musikalischen Leitung von Florian  Erdl und  großem Beifall wieder aufgenommen.

Die Geschichte des Musicals verliert nie an Aktualität und tiefer Wahrheit: Die Form bestimmt über weite Strecken den Inhalt. Soll heißen: Wer schön spricht, hat von Anfang an die Noblessevermutung auf seiner Seite.


Der Sprachforscher Professor Higgins (wundervoll besetzt mit Guido Weber) geht eine Wette mit einem anderen Sprachforscher, Oberst Pickering (Gerhard Balluch) ein, denn er ist der Überzeugung binnen 6 Monaten aus dem Blumenmädchen Eliza Doolittle (entzückend wie immer, die auf derartige Rollen abonnierte Sieglinde Feldhofer) mit dem lockeren Mundwerk und dem haarsträubenden Gossenakzent eine wahre Damen von Welt machen zu können. Sein Credo ist: Ein Mensch definiert sich nicht über seine Herkunft, sondern über seine Sprache. Er sollte Recht behalten. Nach monatelangem Martyrium scheint das Wunder vollbracht: Eliza absolviert einen glänzenden Auftritt auf dem Hofball (tolle Idee der Einspielung von der Opern Redoute und Sieglinde Feldhofer in ihrem Rollenkostüm!) und Higgins hat seine Wette gewonnen.

In dieser Produktion entstammt der Elizasche Dialekt dem Oststeirischen. Ein Satz wie: „Hiazt is da Wöli oiwai no do!“ (soll heißen: „Jetzt ist dieser Idiot immer noch hier!“) bereitete Redakteur Laurenz (7Jahre) Schwierigkeiten, die wir anfangs auf akustische Probleme zurückführten. Nach der dritten Wiederholung des Satzes brach es schließlich aus ihm heraus: „Sag’s auf Deutsch!“. Manchmal ist eben nichts fremder als das Eigene…


Mein Gott, jetzt hat sie ihn!

Professor Higgins jedenfalls ist nur der scheinbare Gewinner, denn eigentlich hat er alles verloren: Eliza verlässt ihn und überrascht stellt er fest: »Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht!«.  Womit er wohl nicht gerechnet hatte ist, dass dieser Wirbelwind in Jungdamengestalt seine Welt noch mehr aufwirbelt, als er die ihre.

Auch die Welt des Vaters (gespielt vom gleichermaßen großartigen wie sympathischen Gerhard Ernst) der Eliza wird gehörig aus ihren Bahnen geworfen. Der einstige „Mistkübler“ findet sich auf einmal „gesackelt wie ein Pompfuneberer“ wieder und muss auch noch heiraten, weil ein reicher Amerikaner ihm eine hohe monatliche Apanage vermacht. Er beschwert sich bitterlich, denn sich vom Geld zu trennen, bringt er nicht übers Herz, andererseits kostet ihn das viele Geld aber sein unbeschwertes Leben. Auch geschenktes Geld hat seinen Preis.

Wir tauchen ganz in die Welt der Eliza Doolittle ein, was nicht schwer fällt angesichts der bezaubernden Kostüme (Michaela Mayer-Michnay)und der mehr als gelungenen Kulisse (Mignon Ritter, der Würstlstand als „Kleines Sacher“ ist ein reizender Beleg des typisch österreichischen Humors).

Das Stück ist lustig, kurzweilig (obwohl es volle drei Stunden dauert!) und „es tut sich immer etwas“. Allem in allem eine Mischung, die es auch unseren Jungredakteuren Simon (10 Jahre) und Laurenz (7 Jahre) angetan hat. Simon hat sich gefragt, wie es die Schauspieler schaffen, so lange durch zu spielen und hat bis zum Ende herzhaft mitgelacht.


Vom Mann von Welt zum Pantoffelhelden

Leider hält Professor Higgins nicht, was er verspricht. Anfangs bemüht er sich um Eliza, ohne dies zu bemerken. Er macht aus ihr eine Dame und bringt sie im Leben voran. Am Ende wäre es an ihm, sie zurück zu holen, aber statt dessen kehrt sie von selbst zu ihm zurück und alles, das ihm zu ihrem Kommen einfällt ist: „Eliza, wo sind meine verdammten Pantoffeln!“. Im besten Falle wollte man damit zeigen, wie vertraut sich beide schon sind. Für uns zerstörte die Schlussszene den ganzen Charme der Geschichte und führte uns zur Conclusio: No one lives happily ever after…


KWH

die-frau.at