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Geschwister müssen sich nicht gut vertragen
19.04.2013
Ein Einzelkind zu sein ist oft vorteilhaft, denn man muss keine ausgewaschenen Kleider oder abgetragene Schuhe tragen, ein Zimmer teilen etc. Hat man schon eine Schwester/einen Bruder, so muss man es lernen mit ihr/ihm umzugehen. Meistens sind Geschwister in einem andauernden Streit miteinander, weil jede sich in ihrem Anteil an Mutterliebe eingeschränkt fühlt. Wer Kinder auf der Straße beobachtet hat, die, wie siamesische Zwillinge bis auf die Schnürsenkel ein zu eins angezogen sind, denkt sich, es kann kein Wunder sein, dass diese Kinder in der Pubertät umso mehr um ihren individuellen Ausdruck kämpfen werden. Gleiche Kleidung ist kein Ausdruck von Gleichberechtigung, außer es ist seitens der Kinder so gewünscht. Es ist eher Ausdruck einer Unfähigkeit die Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes anzuerkennen.
 
Katharina Schicho (Gesang, Akustische Gitarre, Cello), Christine Schicho (Gesang, Violine) und Veronika Schicho (Gesang, Bass) machten ihre Blutsverwandtschaft zu ihrem täglichen Brot. Als „Dornrosen“ zeigen die drei Schwestern auf der Bühne ihre „Geschwisterliebe“ (der Name ihres 10-Jahres-Jubiläumsprogramms). Spottend, oft erniedrigend und doch liebevoll präsentieren die "Dornrosen" ihr Zusammenleben. Man ist eher gewohnt, dass Geschwister, sobald sie erwachsen sind, ihren eigenen Weg einschlagen. Meistens ist es eine, die sich durch den Ehrgeiz angespornt, über die Jahre mehr entwickelt. "Dornrosen" sind hier eine der vielen Ausnahmen, denn ihren Erfolg, ihre Weiterentwicklung teilen sie durch drei. Katharina schreibt Texte und komponiert dazu selbstgeschriebene Musik, denkt sich Choreographien und Bühnenauftritte aus. Sie hat die Rolle der Mutter in der nun erwachsenen Bühnenfamilie übernommen. Christine ist der Anzünder der Band. Sie sorgt für Stimmung und wird durch ihr eigenes Verhalten (zumindest auf der Bühne) als eine ziemlich naive, leichtsinnige und relativ unkomplizierte (auch im Sinne intellektueller Entwicklung) Frau dargestellt. Veronika, die Jüngste, ist das Nesthäkchen. Im Gegensatz zu Katharina und Christine, die sich trachtig und weiblich anziehen, wirft sich Veronika in schwarze rockige Kleidung, passend zu ihrer schwarzen 70er Jahre Frisur. Sie ist zurückhaltend und intelligent.
 
"Dornrosen" bringen eine besondere Stimmung mit, sodass jeder Zuschauer vom Sitz springt und seine Hüfte im Takt der Musik schwingt, klatscht und mitsingt. Ihre Lieder, wie der „Rehgehege-Song “, enthalten Kritik zur Mann-Frau-Beziehung, den menschlichen Drang zum Label-Level, familiären Verhältnissen. In ihren Cabaret-Abschnitten, mit denen sie die Stimmung zwischen den Liedern aufheitern, sprechen sie ihr Privatleben an. Katharina bekam viel männliche Aufmerksamkeit in ihrer Jugend. Christine ist verheiratet und glückliche Mutter.
 
In Graz traten die drei Musikerinnen im Rahmen ihres Programms „Geschwisterliebe“ mit ihrer Band auf, die diesmal auch mit ihrem kleinen Bruder, Dominik Schicho, Percussion, besetzt war.  Die Atmosphäre im Saal war ähnlich einer in einem Kaffeehaus, so gemütlich und wohl fühlte es sich an. Und sogar ein zweijähriger Bub wurde zum treuen Fan von „Dornrosen“. Nicht zuletzt durch deren Lieder, wo tierisch anmutende Geräusche und Klänge vorkommen.

Das Geheimnis von „Dornrosen“, warum das Publikum (das sich in Graz größtenteils aus der älteren Bevölkerung zusammensetzte) sich so angesprochen fühlt, ist ihre Authentizität und Unkompliziertheit. Es gibt keine aufgezwungene Liebe zu einander, kein Vertragen, dass man sich in einem „perfekten Verhältnis“ erwartet. Auch wenn das alles gespielt sein mag, so wirkt es einfach echt. Ihre Lieder sind offen und ehrlich und entlarven menschliche Schwächen. Ehrlich sein und offen sein ist das Drehrad in der modernen  Gesellschaft.

Foto: Manfred Werner - Tsui

die-frau.at