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Die kühle Umarmung
30.07.2010
Von Schauspielern wird erwartet, dass sie auf der Bühne möglichst überzeugend Gefühle zeigen. Doch wie empfinden sie diese Gefühle selbst? Sind es echte oder nur gespielte Emotionen? Wie viel gibt ein Schauspieler von sich selber nach außen preis und wo beginnt die Privatperson, die die Öffentlichkeit nicht zu interessieren hat? die-frau.at stellte den Hauptdarstellerinnen der Operette „Die Fledermaus“ Juanita Lascarro (Adele) und Nicola Beller Carbone (Rosalinde) einige Fragen zum Thema Gefühle zeigen und selber erleben, sowie dazu, wen man mit einer Inszenierung ins Theater locken will.
 
die-frau.at: Frau Lascarro, Sie sind die Tochter eines Diplomaten, haben nach der Matura mit einem Biologiestudium angefangen. Was hat sie dazu bewegt, zum Schauspiel zu wechseln?

Juanita Lascarro: Ich bin in einer musikalischen Familie aufgewachsen, meine Mutter ist selber Sängerin gewesen, mein Vater hat Musik hobbymäßig gemacht, und wir haben immer mit Musik zu tun gehabt. Ich habe immer diese beiden Leidenschaften gehabt, es hat mich immer sehr interessiert. Gerne habe ich in der Schule oder auf der Uni was Wissenschaftliches gelernt, aber ich bin ein künstlerischer Mensch, der kreiert und selbst inspiriert wird durch Kunst.

die-frau.at: Welches Publikum soll mit der Operette „Die Fledermaus“ angesprochen werden?

Nicola Beller Carbone : Es ist keine geprägte Publikumserwartung. Es soll nicht nur Operetten-, sondern auch das Opernpublikum dabei sein. Es wird auch das Schauspielpublikum gerne gesehen, es ist wirklich interessant für jemanden, der Schauspieler sehen will. Öfter kommen auch Touristen rein. Man kann es auch nicht kontrollieren, welches Publikum ins Theater kommt, deswegen wäre es auch falsch, ein Stück für ein bestimmtes Publikum zu machen. Es wird immer Kritikpunkte geben, was einem nicht gefällt, weil das Publikum relativ eigenwillig ist. Es wird auch immer Aspekte geben, bei denen ein musikalischer Mensch eher die schönen Stimmen genießt, während diejenigen, die Schauspiel richtig gern haben, sich freuen, dass die Opernsänger richtig spielen und Dialoge sprechen.
 
Juanita Lascarro: Diese Inszenierung ist keinesfalls für einen konservativen Zuschauer gedacht, denn ihr Stoff umwirbelt, pusht ganz was Neues. Und um sich in diesen Prozess zu begeben, muss man schon etwas aufgeschlossen sein. Die Inszenierung ist auch natürlich eine Sozialkritik, die die Ecken und Kanten der Gesellschaft widerspiegelt. Es hat sich seit der früheren Zeiten viel geändert, jedoch vieles bleibt auch, wie es war: Die Gesellschaft ist immer noch dieselbe.

die-frau.at: Welche Bedeutung haben die Pausen in dem Stück? Haben diese einen Wandel erlebt?

Nicola Beller Carbone : In dem Stück werden oft zwei Pausen gemacht, nach jedem Akt. Wir haben nur eine nach dem ersten Akt gemacht, was ich besser finde, denn sonst würde es ewig lang dauern. Bei der Operette finde ich diesen Unterhaltungsgrad ziemlich schwer, und da empfinde ich die eine Pause als absolut schwer. Und 30 Minuten ist auch genug für eine Pause. Es ergibt sich, dass wir uns alle umfrisieren, umziehen. Der Zuschauer braucht auch etwas Unterhaltung, will etwas Trinken. Im Theater gibt es fast immer eine Pause. Theater ist natürlich für die Leute da, dass sie neue Ideen bekommen, dass sie zum Denken angeregt werden, dass sie lachen oder auch weinen, Emotionen, Kritik, Gesellschaftskritik sowie Verhaltenskritik, neue Impulse, neue Ideen, so wie Mode, wie Kunst. Das Theater ist wie der Barometer, der widerspiegelt, was die Gesellschaft interessiert. Es wäre natürlich schade, wenn einer ins Theater geht und dann kein Wort darüber verliert. Das Theater ist dazu da, dass man dort etwas erlebt.

die-frau.at: Was bedeutet es für eine Frau, Gefühle zu spielen?

Nicola Beller Carbone : Als Frau oder als Mann in unserem Beruf müssen wir die Gefühle spielen. Es ist ein Unterschied, ob wir als Schauspieler die Gefühle spielen oder durch den Gesang die Emotionen ausdrücken. Im Theater werden vor allem die Gefühle ausgedrückt und das ist natürlich unsere Arbeit. Wir haben das gelernt. Wir sind ausgebildete Sänger und Darsteller und da lernt man auch schon, wie man solche Dinge übersetzt in Bühnensprache, aber dazu kommt auch Talent, Intelligenz, Kreativität, die Teamarbeit, die Proben. Wir proben sehr viel, um ein Resultat zu erreichen, und auch der Wille dazu, der Spaß. Wenn wir uns wirklich anstrengen müssten, um unsere Gefühle zu zeigen, wäre es einfach der falsche Job.

Juanita Lascarro: Singen und Schauspielern ist ein unglaublicher Prozess. Man ändert sich als Mensch sowieso immer und auf jeden Fall als Schauspieler oder als Sängern, die Erfahrungen stapeln sich. Es ist immer eine neue Entdeckung, wie ich meinen geistigen Zustand dehnen kann und dadurch mein schauspielerisches Potenzial. Ich werde jeden Tag mit meinen Limitationen konfrontiert und muss mir sehr viele Gedanken machen, um das zu bewältigen, und zusätzlich dazu gibt es eine große Befreiung auf der Bühne, weil man schon geübt, geprobt hat, was systematisiert wurde im ganzen Körper und in der Seele. Dann ist das Schauspielern und Singen eine große Befreiung, man hat den Prozess der Auseinandersetzung hinter sich gelassen und erlebt eine große Befreiung. Es gibt Reibungen und Unstimmigkeiten unter den Persönlichkeiten, aber das Wichtigste ist, dass man auf der Bühne sich selbst bleibt. Man wird auch sich selbst überlassen. Man hat zu den eigenen Kollegen Vertrauen, unabhängig davon, ob man einander gern hat oder auch nicht.

Nicola Beller Carbone : Bei den Tänzern muss alles perfekt zusammen passen, auch die Partner. In jedem Beruf passiert es so. Im Schauspielbereich kommt es öfter vor, dass man jemanden küssen und umarmen muss, was manchmal auch anstrengend ist, wenn es einer ist, denn man überhaupt nicht magt. Aber das kommt selten vor. Ich umarme einen männlichen Kollegen auf der Bühne nicht als private Person, sondern ich bin da in der Rolle und muss versuchen, diesen Menschen auch in der Rolle zu sehen.

die-frau.at: Wir dürfen beim Interview keine Fotos machen, weil Sie, die Darstellerinnen, nicht geschminkt sind. Heißt der Beruf des Schauspielers nicht, die Fähigkeit zu beherrschen, sich in jeder Situation perfekt präsentieren zu können?

Juanita Lascarro: Bevor man auf der Bühne steht, ist man trotzdem eine Privatperson. Das muss man trennen von dem, was auf der Bühne passiert. Ich empfinde es als höchst schwierig, wenn man mich in einer privaten Situation fragt, ob ich singen kann. Es ist für mich kein Berufsplatz, kein Platz, wo ich mich befreien kann. Es gibt viele Schauspieler, die sich in jeder Situation entblößen können. Da, wo ich mich privat frei fühle, ist nicht, wo ich mich beruflich frei fühle. Ich im Gegenteil gehöre nicht dazu, ich bin eher reserviert und die private Befreiung ist was ganz Anderes als die schauspielerische. Das gilt auch für die Proben. Am Anfang der Proben entwickelt man sich mit jeder neuen Aufgabe und will dabei nicht beobachtet werden. Man bewältigt die Inszenierung noch nicht, die Rolle ist noch nicht vollständig und da ist noch alles sehr heikel. Es gibt jedoch immer ein Punkt, an dem man sich über positive Kritik freut. Dann möchte man schon die Zuschauer haben, die mit dem Prozess nichts zu tun haben.

(vs)
 
Fotos: Armin Bardel
Theater an der Wien


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