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An Ocean of emotion, aber wir wollen lieber nicht auffallen
22.02.2013

Am 20. Februar 2013 machte die Show Factory Entertainment auf ihrer Österreichtournee mit „The Best of Musicals” im Grazer Stefaniensaal ‚Halt. Wahrhaft ein „Best“ der größten Musicals wurde zum Besten gegeben. „Cats“, „Phantom der Oper“, „West Side Story“, „Chicago“, „Mary Poppins“, „Thriller“, „Ich war noch niemals in New York“ und mehr.

Stefanieniensaal und Musicals. Da würde sich ein Kommentar über ein ungleiches Ehepaar gut eignen. Moderne trifft auf Monarchie.

Die Namensgeberin des beliebten steirischen Veranstaltungsortes ist Prinzessin Stephanie,  Gattin des österreichischen Kronprinzen Rudolf. Gebaut wurde der Stefaniensaal in den Räumen der ehemaligen Steiermärkischen Sparkasse in den Jahren 1883-1885. Unmittelbar neben dem Hauptplatz platziert, ist der Saal dank seiner hervorragenden akustischen Eigenschaften der beliebteste Veranstaltungsort diverser Musik- und Tanzveranstaltungen und für Maturabälle.

"Die Nacht der Musicals", geführt von den besten Performern des englischen West Ends, führte die Zuschauer am 20.02.2013 durch die Geschichte des Musicals. Mit Publikumslieblingen, Melodien, die schnell zum Ohrwurm werden, ewigen Klassikern und Disney-Songs. Die Darsteller rockten, gaukelten und rissen jeden Zuschauer mit, auch mit zu schwingen. Wenn auch nur im Umfang, den die engen Stuhlreihen erlaubten). Mit gesummt hat sowohl Klein als auch Groß.

In der 28. Sitzreihe, durch ein Dutzend Köpfe wie durch einen tiefen Wald durchblickend, konnte man auf jeden Fall perfekt jeden Ton der kräftigen und emotionalen Stimmen der Musicaldarsteller empfangen. Ausschnitte aus "Cats", "König der Löwen", "Marry Poppins", "West End Story" wurden gesungen. Bei Udo Jürgens´ „Ich war noch niemals in New York“ schwangen viele Frauenhände in die Höhe.

Sechs Mörderinnen, in Leder gehüllt, zeigten ihre Macht über die Männer – ihre weibliche Macht. Keine Gnade für die Kreaturen in Hosenträgern auf dem nackten Körper, die nicht schlechter als die Frauen ihre Hüften im Takt der Musik schwangen. Testosteronheber pur. „Chicago“, der Dauerbrenner auf dem Broadway, lässt grüßen.

„What good is sitting alone in your room? Come hear the music play.” „Cabaret“, der Musical-Klassiker aller Zeiten, charmant und lebendig von Liza Minelli verkörpert, fehlte leider bei der Nacht des Musicals.

Die Zugabe mussten sich die Zuschauer schwer erkämpfen. Diesmal wurde das Licht auf das Publikum gerückt und zum Aufwärmen war zwei Mal Stampfen, einmal klatschen angesagt. Die Performer gaben dann stimmlich etwas Power mit „We will, we will rock you“. Der Hauptdarsteller machte eine seltsame kleine Bemerkung am Rande, indem er nach seiner Einladung zum Tanz sagte, dass normalerweise jetzt der Saal schon leer wäre.

Auf der Bühne das Beste zu geben ist kein Honiglecken. Wenn das Licht direkt auf mich rückt, will ich mich nur verstecken. Auf der Bühne hat man bei diesem grellen Licht eben nur die Möglichkeit sich entweder von der besten Seite zu zeigen oder mit den eigenen Unsicherheiten von der Bühne weg zu bleiben.

Das Publikum selbst ist oft ein strenger Richter.

Während der Vorführung und nach der Aufforderung der Darsteller am Ende der Show rückten die Zuschauer mit ihren Emotionen nicht heraus.

Warum diese emotionale Zurückhaltung der Österreicherinnen und Österreicher? In Italien hätte man das Publikum nicht erst einladen müssen, damit es mitwirkt und die Emotionen heraus lässt. Dort hätte man ganz selbstverständlich mitgesungen und mitgestampft.

Noble Zurückhaltung ist wohl kaum der Grund, warum hier die Leute ihre Emotionen nicht heraus lassen. Viele die gerne mitsingen würden, trauen sich einfach nicht. Weil so viele denken, sie wollen nicht alleine mitsingen und dann von allen angeschaut werden, singt eben wirklich niemand mit. Dieser gesellschaftliche Gedanke „besser Emotionen nicht zu sehr zeigen und dafür nicht auffallen“ ist nicht nur bei Veranstaltungen maßgebend. Dieser Gedanke zieht sich mehr oder minder durch viele österreichische Lebensbereiche. (Soll ein Mann einer fremden Frau auf der Straße den Hof machen wenn er Lust dazu hat oder soll er sich zurückhalten und dafür nicht auffallen?). Eigentlich eine blöde Frage, die aber sich viele österreichische Männer stellen.

Daher rackerten sich die Performer ab, indem sie auf der Bühne volle Power gaben, ihre Hüfte und Hände sehr elegant und erotisch schwangen. Ebenso die Power-Band mit dem Schlagzeuger, dem Liebling des Publikums. Der Bildschirm im Hintergrund, wo die Aufführung durch bewegende Bilder betont wurde, machte aus der kleinen Bühne des Stefaniensaals ein nachgemachtes Paramount Studio.

Stefan Baumgartner und Varvara Shcherbak
 


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