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Einige Menschen sind von Geburt an auf der Zuckerseite – die anderen müssen sich diesen Zucker schwer erbeuten?!
25.07.2012
Vor Kurzem kam es in meinem Bekanntenkreis zu einer Diskussion, ob man sich eine Reise nach Toulouse erst leisten kann, wenn man ein Millionär ist. Oder soll man das Geld freizügig ausgeben und schauen, dass es woanders rein kommt. Denn was hat es denn sonst für einen Sinn, dass man Geld verdient?

Denkt man über das Thema weiter nach, so stellt man sich zwei Gesellschaftsschichten vor: eine reiche Schicht, die mit Limousinen reist und im Sommer einen Monat auf Mallorca und im Winter zwei Monate auf Ibiza verbringt, darauf achtet, dass ihre Kleidung aus den neusten Kollektionen von Versace, D&G etc. kommt. Als Kontrast zeigt sich die als Mittelschicht bekannte Gruppe. Hier wird ein höherer Wert auf das Sparen gelegt und das Geld nur für die Grundbedürfnisse verdient. Man sollte auf bessere Zeiten warten, um sich eine Reise nach Toulouse gönnen zu können, war meine Meinung in der Diskussion. Eine Bekannte widersprach mir: „Deswegen sollen wir schauen, dass genug Geld reinkommt.“ Diese Aussage kann ich nur jedem Selbständigen zur goldenen Regel und zum täglichen Gebet verschreiben.

Ich komme ursprünglich aus der Ukraine. Als Kind war ich für meine Mutter „leicht finanzierbar“. Während viele Kinder sich darüber beklagen, viel zu wenig geschenkt zu bekommen, war ich das Herzblatt meiner Eltern: Jedes Mal, als die Frage gestellt wurde, ob sie was für mich kaufen sollte, deklarierte ich schüchtern mein „nein“ - auch wenn dieses Verhalten meine Mutter besonders verwunderte. Sie dachte sich wohl jedes Mal, ob ich denn krank sei, und ob es vielleicht abnormal ist, wenn das Kind in einem Geschäft nicht vor lauter Wut schreit, dass ihm nie was gekauft wird. Jedoch passte dies perfekt in ihr Konzept. Denn meine Mutter ist von ihren Lebensprinzipien her eine extreme Sparerin. Diese Krankheit erwies sich als besonders ansteckend und gefährlich und infizierte mich, sodass ich mich bis zum heutigen Tag nicht davon heilen konnte.

So wenig gutes Gefühl hat man dabei, wenn das Verlangen nach einem anspruchs- und genussvollen Leben nicht erfüllt wird! Dieser Rock aus der letzten Kollektion von Lena Hoschek ist ja so schön. Passt perfekt zu mir. Aber ich kann ihn mir nicht leisten. Vielleicht nächsten Monat, nachdem ich alle Rechnungen bezahlt habe. Auch nachdem alle Rechnungen bezahlt worden sind, kommt es nicht zu einem Mehrkaufbeitrag. Denn es wird nie überlegt, wo man dazuverdienen kann, sondern es wird eingespart, was im Endeffekt dazu führt, dass man dann im McDonalds in Gesellschaft von Menschen, die keinen großen Wert auf Tischkultur und gute Manieren legen, automatisch zu diesem Niveau gehört.

Familiäre Benachteiligung?!

Ein Bekannter von mir, dessen Vater eine Kette von den Schuhgeschäften betreibt und dessen Name einen Wert hat, ist der Meinung, er glaube es zu wissen, wie das Leben funktioniere. Er sagt, dass einige Leute von der Geburt an auf der Zuckerseite sind, während die anderen sich diesen Zucker schwer erbeuten müssen. Im Gegensatz zu mir hat ihn seine Mutter laufend verwöhnt. Wo er den Bruder seine Vaters auf die Zuckerseite einstuft, sieht er sich auf dem Kampfweg. Das sieht er nicht als Herausforderung, sondern als Niederlage und bezeichnet sich als Loser. Da er von Geburt an seiner Meinung nach den Zucker des Lebens nicht erlangen konnte, so musste er sich diesen erkämpfen. Seine Niederlagen machten ihm schwer zu schaffen. „Wenn man was probiert und dann verliert, dann wird man ausgelacht“, so seine Sicht. Der Bekannte macht ein Jus-Studium und ein Praktikum. In beiden Bereichen gleichzeitig kommt er nicht weiter.

Migranten zwischen Ehrgeiz und Entmutigung

Ich bin eine Ausländerin. Dabei kenne ich viele Ausländer, die ebenso den Wunsch haben, aus ihrem Heimatland auszureißen. Der Grund: bessere Chancen. Ich kenne viele, die nach vielfachen Ablehnungen des Visumantrages zum 10ten Mal zur Botschaft gehen und einen neuen Antrag stellen. Ich kenne auch solche, die über diverse Partnerbörsen einen Mann finden, um diesen zu heiraten, und die dadurch ein Visum bekommen. Alle, die ich kenne, kommen aus einfachen Arbeiterverhältnissen. Die meisten haben gelernt, dass man im Leben nichts vor die Nase geschoben bekommt. Im Gegensatz zu denen, die tatsächlich durch ihre Eltern auf der Zuckerseite geboren sind, wollen jene es ebenfalls auf die gleiche Ebene schaffen. Das jedoch nicht durch Tatkraft. Freilich, die Realität ist so, dass man überall durchkommt, wenn man einen Willen hat, viele Aktivitäten setzt und das richtige Rezept kennt. Oft lässt der innere Druck aus irgendeinem Grund nach und die Leistung und das Ergebnis gehen rasant den Bach hinunter. Ein Ausländer fühlt sich als ein Opfer der neuen Sprache nicht gewandt und der Kultur und den Umgangsformen fremd. Kommt man mit diesen Gefühlen nicht zurecht, geht man unter. Ein unverstandenes Opfer, das sich nun alleine im Stich gelassen fühlt, geht kellnern oder als Servicekraft ins Hotel und macht das Studium nicht fertig. Dabei hätte einen ja jeder gerne unterstützt, wenn man sich weiterentwickeln will und motiviert und aktiv ist.

Ich kenne auch einige Beispiele von ÖsterreicherInnen, die von ihren Eltern nicht mehr unterstützt worden sind und somit sich das Studium und alle möglichen Hobbys selbst finanzieren sollten. Sie habe auch Wege gefunden, weiter zu kommen.

Bei jeder Art der Weiterentwicklung geht es in erster Linie darum, dass man die eigene Motivation und den Willen dazu hat und die notwendigen Maßnahmen aus diesem Gefühl heraus in die Tat umsetzt, um die eigenen Ziele zu erreichen. Jede Information ist dabei nützlich und notwendig. Doch schließlich liegt die Entscheidung bei einem selbst.

Varvara Shcherbak
 

die-frau.at