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Auch Kritik üben will gelernt sein
02.11.2011

Auch vor dem Besuch des Stückes Die Kaufleute von Graz wurden mir Stolpersteine in den Weg gelegt: Da der Inhalt meines Mails offensichtlich nicht an die Betreuerin an der Theaterkasse weitergeleitet wurde, konnte ich statt mit einer Eintrittskarte, die mir eben hinterlegt hätte werden sollen, mit  Hilfe eines rosa Flyers als Erkennungszeichen, der mit den Ankündigungen der weiteren Premieren im Schauspielhaus, im Speziellen auf der Probebühne, gespickt war, den Saal schlussendlich doch noch betreten. Immerhin entschuldigte man sich bei mir und es wurde alles organisiert, damit ich trotz allem die Vorführung besuchen kann. Im Stiegenhaus  wurde dann über verschiedenste Themen getratscht, geknutscht, telefoniert - einige starrten sogar belanglos in die Luft Kurz nach Acht - Szenenwechsel. Das Publikum wurde auf die Probebühne gelassen, auf der bereits die Schauspieler beobachtet werden konnten.


Groß gefeiert wurde die Vorstellung nicht, da es sich dabei "nur" um eine Wiederaufnahme handelte. Jedoch wurde der dritte Teil geändert, nämlich etwas mehr personalisiert  - und dies buchstäblich von gestern auf heute. Daher kann man ruhig sagen, dass das „Probebühnenstück“ Die Kaufleute von Graz heute eine kleine Premiere gefeiert hat.


Die Kaufleute von Graz wurde aus einer Zusammenarbeit zwischen dem Theater im Bahnhof und dem Schauspielhaus Graz geboren. "Das Stück wird dann als Gastspiel... vielleicht in die Ukraine ...nächstes Jahr fahren!", teilte die Texterin Pia Hierzegger scherzhaft mit. Diese Vorstellung, wird wohl immer nur eine unverwirklichte Vorstellung bleiben - die Idee dahinter wurde aber durch ihre positive Erfahrung über die Ukraine, die Menschen und Denkmäler dort geboren.
Während der Schau des Stückes fiel mir gleich auf, dass als beinahe einzige funktionierende sexuelle Beziehung eine Schwulenbeziehung dargestellt wurde. Dort gab es kein Hin und Her wie in der Beziehung zwischen Alfred (Jan Thümer) und Frau Mag. Rotschnig (Beatrix Brunschko). Es gab keine Unsicherheiten. Es ging ohne Umwege „zur Sache“ - ohne die Angst, abgelehnt zu werden.


Die Wiederaufnahme wurde im engen Kreis gefeiert. „So sehr vertragen wir uns auch nicht“, meinte die Kostümbildnerin Johanna Hierzegger. Für Gabriela Hiti war die Abholung ihres Sohnes viel wichtiger, als das Rauchen und Schweigen in der Kantine mit den KollegInnen. Ich setzte mich dazu  - in die Frauenrunde - um mir Inspirationen für meinen Artikel zu holen.


Auf meine Kritik ihrer Kostümwahl antwortete sie recht positiv. „Jeder hat seinen eigenen Geschmack“. Bezüglich meiner Kritik zu einigen Outfits sagte jedoch Leon Ullrich, diese (gemeint  ist das Üben von Kritik) will gelernt sein und fehlt bei den meisten Theaterkritiken. Jede Rezension bleibt lieber dabei. die Stücke in den Himmel zu heben,  alles Negative wird beiseite gelegt. Mein Anliegen war das Kostüm von Sisi, das sie meiner Meinung nach zu alt machte. Frau Hierzegger sagte darauf, dass es immer noch Frauen gibt, die sich vielleicht etwas altmodisch, das aber mit Geschmack und schick kleiden. Auch zum Kostüm von Uschi (Juliette Eröd) hatte ich meinen Senf dazu zu geben: Nämlich, dass ich ihr Kostüm viel zu "casual" und zu wenig kaufmännisch fand. Ihre Rolle wird als jemand porträtiert, der vollkommen der kaufmännischen Tätigkeit ohnmächtig ist und nur noch durch ihren Vater diesem Verein angehört. Eine positive Kritik hatte ich zu dem Kostüm von Annemarie (Gabriela Hiti), deren schlichten Anzug ich als sehr schick und geschmackvoll empfand. Schade war, dass die Kostüme nicht wie gewohnt von der Kostümbildnerin entworfen und geschnitten wurden, sondern aus einer bereits vorhandenen Auswahl gekauft worden waren.


Diesmal probierten sich die Schauspieler noch zusätzlich in einem weiteren Bereich, nämlich im Tanz. Auch wenn nicht jeder Schritt passte, machten die Tanzeilagen den Teilnehmern Spaß, was auch das Publikum zu spüren bekam - denn während der Vorstellung wurde gelacht, gepfiffen und geklatscht. Die Stimmung war einfach nur traumhaft. Ein Mal animierte das ins Stück eingebaute Klatschen selbst mich beinahe zum Applaus.


Das Stück spielt in einer schweren Zeit, in der große Einkaufszentren die „Kaufwelt“ erobern und der grausliche und kommerzielle Starbucks bereits die Herrengasse „verschlungen“ hat, und in der einige Kaufmänner ihren Untergang nicht hinnehmen wollen. Um die Situation zu retten, bilden die Kaufleute einen Verein, der ein Mal in der Woche ein Treffen veranstaltet, bei dem getanzt wird. "Tanzen wir, um uns zu vereinen", kündigt Annemarie als Vereinsvorsteherin Samba, Cha-Cha, Walzer etc. an. Wenn man nur bedenkt, dass so viele Einzelheiten beim Tanzen zu berücksichtigen sind, wie die Bewegungen des Partners, andere Tanzende auf der Tanzfläche, der Rhytmus, die Musik, die größe der Tanzfläche, und und und, ist das Tanzen nichts weiter als ein Zusammenspiel vieler Faktoren.


Zu meiner großen Freude wurde die Führungsrolle des Vereines zwei Mal einer Frau zugeteilt. Außerdem werden Frauen im Stück als sehr starke, selbständige Persönlichkeiten dargestellt. Andererseits kommt der Text eben von einer Frau - Pia Hierzegger. Nach einer kleinen Umfrage konnten jedoch weder die Darstellerinnen noch eine der befragten Zuschauerinnen sich mit einer der Frauenfiguren identifizieren.


„Die Kaufleute von Graz“ spielt nur noch am 17. November und 18. Dezember auf der Probebühne des Schauspielhauses in Graz.


Varvara S
 


die-frau.at