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Wer guten Sex haben will, der muss …
14.11.2018
… reden. Reden? Keine Positionen, die 10 Jahre Yoga und ein Höchstalter von 30 Jahren erfordern? Kein Riesenpenis, der sich elegant am G-Punkt vorbeischummelt, um neugierig sein Köpfchen in die Gebärmutter zu stecken? Keine Unterspritzung des G-Punktes, wovon man nichts hat als ein Minus am Konto und eine Nadel dort, wo niemals eine hinkommen sollte? Wie öd?!
 
Eine Sexpertin ließ kürzlich in ihrer Kolumne die Leser an ihren Erfahrungen aus der Sexualtherapie-Praxis teilhaben. Es ging um die Klitoris – die große Unbekannte. Tenor des Artikels war, dass 
a) der Klitoris viel zu wenig Beachtung bei der Befriedigung der Frau geschenkt wird.
b) Frauen den Männern nicht sagen, was sie wollen.
Die Frauen hatte zum einen Hemmungen überhaupt etwas zu sagen, zum anderen winkten die Herren ab und meinten, frau solle sie machen lassen, sie wüssten schon, was sie tun. Mhm.  Das ist dann halt blöd, wenn wir Frauen den Männern Jahr und Tag etwas vormachen und dann kommt eine mit der Wahrheit um die Ecke und der wird natürlich vorsichtshalber nicht geglaubt. Selbst Schuld, sollte man meinen. 
Das Paradoxe ist, dass in einer Zeit, in welcher mehr über Sex geredet wird denn je, beim Sex offensichtlich nicht mehr geredet wird – oder zumindest nicht ausreichend. 
 
Man lehnt sich nicht zu weit hinaus, wenn man sagt, dass die allermeisten Frauen nur klitoral kommen und der Penis in der Vagina dabei den klitoralen Orgasmus nur intensiver werden lässt. Das Ficken im klassischen Sinn ersetzt aber die Stimulation der Klitoris nicht. 
 
Jetzt erzählen Frauen den Männern permanent, wie tolle Hengste sie sind, weil ein wenig Vorspiel, nähmaschinenartiges Rein-Raus und, falls nicht zu viel verlangt, ausgiebiges Kuscheln danach  das geilste ist, das sie jemals erlebt haben. Und dann soll auf einmal alles anders sein? Wie erklär‘ ich’s meinem Kinde? Das Outing, dass nur der klitorale Orgasmus das Wahre ist, führt zu einer Reihe von Unannehmlichkeiten: „Aber früher bist du doch auch so gekommen? Oder etwa nicht? War das alles nur gespielt?“ Nein, natürlich war das niemals gespielt und alles total super, nur jetzt ist es das nicht mehr… Sehr glaubwürdig. Niemand wird gern als Täuscher und Tarner entlarvt, also läuft Frau Gefahr, wieder weiter zu lügen. Damit bleibt die Beziehung weiter harmonisch und der weibliche Orgasmus weiter aus. Eine Zwickmühle. 
 
An diesem Punkt muss auch zurückgenommen werden, dass im Bett nicht geredet wird. Das stimmt so nicht. Es wird viel geredet, aber vorwiegend gelogen.  Die Fragen nach dem Schuldigen dafür ist verfehlt. Alle Beteiligten sind Täter und Opfer zugleich. Unter dem Strich hat niemand etwas von diesem verlogenen Sex, in dem der weibliche Orgasmus angeblich wichtig ist, aber so gut wie nicht vorkommt. Auf beiden Geschlechtern lastet ein Erfolgsdruck. Anscheinend gehen auch immer noch beide Geschlechter davon aus, dass der Orgasmus für beide durch Penis in der Vagina passieren muss und wenn nicht, dann stimmt mit einem oder beiden etwas nicht. 
 
Ein Porno-Star sagte jüngst, dass er hofft, dass sein Publikum weiß, dass das alles gespielt ist und es nicht für bare Münze nimmt, was es da sieht. Ich denke, er irrt sich. Die Laiendarsteller da draußen denken, dass der Sex so sein soll wie in Pornos, Liebesfilmen, Romanen etc. Je nach persönlicher Neigung. Nachdem befriedigender Sex aber unter Umständen ganz anders aussieht bzw. viele, vor allem Frauen, gar nicht wissen, was sie für erfüllten Sex brauchen, wird die Kluft zwischen Ist und Soll immer größer, was zu Frustration führt. 
 
Im ersten Liebestaumel gibt sich Frau noch mit geilem Sex ohne Orgasmus zufrieden. Was tut man nicht alles, um den Partner an sich zu binden? Die erste Verliebtheit. Wie lange dauert diese? Ein Jahr, vielleicht zwei? Und dann? Dann ist am Ende des geilen Sex noch so viel Leben übrig. Die Scheidungsraten sprechen ohnedies für sich.  Entweder man verharrt, vielleicht der Kinder zuliebe, in dieser unbefriedigenden Beziehung, oder man beendet sie und macht sich auf die Suche nach der nächsten ganz großen Liebe, bis von dieser auch nichts mehr übrig bleibt, als ein Trümmerfeld. 
 
Wir werden im Bett wieder miteinander reden müssen. Ehrlich. 
 
Frauen müssen als erstes wissen, was sie wollen. Das ist schon eine schwierige Übung, da Frauen tendenziell immer noch die eigenen Bedürfnisse hinter die anderer zurück stellen. 
Dann will dieses Wollen Wort werden. Die Frau muss ihrem Partner sagen und zeigen, was sie wo will. Dinge, die so einfach sind, wenn frau selbst Hand an sich anlegt, werden dann mitunter ganz schön kompliziert. Was hilft? Reden, reden, reden und zeigen. 
 
Und die Vergangenheit? „Ja, ich habe Orgasmen vorgetäuscht.“ Das wäre zumindest ein Ansatz, um ganz von vorne anzufangen. 
 
Unter diesem Gesichtspunkt ist One-Night-Stand  kritisch gegenüber zu stehen. Für guten Sex braucht es Vertrauen, Offenheit, Kommunikation und einen klaren Kopf. Das passt schon einmal mit dem Alkohol, der oft bei One-Night-Stands involviert ist, nicht zusammen. 
 
Jetzt werden sicher Stimmen laut, die sagen, es gehören zwei dazu. Was, wenn der Partner nicht mitzieht? Wenn es ihn wirklich nicht interessiert, etwas anders zu machen, als bisher? Wenn er zwar Vorspiel affin ist, dieses aber nicht länger dauern sollte als die Pinkelpause in der Halbzeit eines Fußballspiels?  Ja dann wird sich frau überlegen, und wohl nicht zum ersten Mal in einer solchen Beziehung: „Kann es das sein?“.  
Letztlich ist die Frau für ihren Orgasmus verantwortlich. Sie muss ihn einfordern – unter Umständen vehement. Wenn es nicht funktioniert, die Frau nicht ausreichend anleitet oder mit sie mit einem Typen fickt, dem sein Orgasmus einfach wichtiger ist als der ihre und überhaupt alles viel zu mühsam, dann ist sie auch selber Schuld. Solche Artikel wie dieser sind ganz interessant und hilfreich, aber die Lebensentscheidungen nimmt er niemandem ab. Jederfrau muss für sich entscheiden, was ihr wichtig ist und wie weit sie geht, um ihr Wollen Realität werden zu lassen. 
 
Bevor frau aber die schweren Geschütze auffährt: Redet miteinander! 
 
Auch wenn es viel Überwindung kostet, dem Partner zu sagen und zu zeigen, wo und wie frau gestreichelt werden will, es lohnt sich am Ende des Tages – für beide. Unterbewusst spüren es auch die Männer, dass ihnen permanent etwas vorgegaukelt wird. 
 
KWH
 
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