Karriere > Wissen & Erfolg
30.03.2014, Brühl wird beerdigt
31.03.2014
Konsul Brühl, der in Graz sein modisches, elterliches Stammhaus zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder sowie mit der jahrelang nebenan eine Parfümerie betreibenden Schwester, zu einem für damalige Verhältnisse Großkaufhaus, über mehrere Häuser sich erstreckend, errichtete. In der Folge breitete er sich nach Wien auf dem Kohlmarkt mit dem House of Gentlemen und anderen Geschäften aus und kaufte dann in der Grazer Herrengasse das ehemalige Schönbauer Haus, in welchem heute H&M eingemietet ist.

Er hatte immer verrückte Ideen und er lebte seine Träume. So hat er sich in den Kopf gesetzt, im Schönbauer Haus, in seiner Heimatstadt Graz, ein Mini-Harrods zu errichten, mit einer Rolltreppe, sodass es dann im Endeffekt eine Rolltreppe mit nebenliegenden geringfügigen Geschäftsflächen war und damit eine Groteske in sich. Aber das kümmerte ihn wenig, denn er sagte ganz einfach, die Immobilie ist so einzigartig, dass, egal was ich tue, diese mehr Wert wird und nur das ist entscheidend. Und damit hatte er, wie bei den meisten seiner unternehmerischen Entscheidungen, Recht. Eine Vielzahl guter Verkäufer hat in Graz und in Wien bei Brühl gelernt und es gibt wenig Unternehmen, die so viele erfolgreiche Einzelunternehmer hervorbrachten.

Den mittlerweile über sechzigjährigen Grazern ist noch die mit Handschuhen Geld zählende Mutter bekannt. Brühl hatte ein Faible für einen Clark Gable Schnurrbart und eine an Clark Gable erinnernde Frisur. Die meisten jungen Menschen wissen wahrscheinlich nicht wer Clark Gable ist; aber das kann man heutzutage leicht googeln und findet man leicht heraus.

Das führte dazu, dass er am Wochenende heim nach England flog und am Wochenanfang wieder nach Graz und das alles mit einem billigen Wochenendticket. Bei einem Flug, den Franz Mayr-Melnhof-Saurau IV. mit seinem damaligen Berater, Bernhard Lanz, unternahm, kam es zu der wahrscheinlich sich sehr oft wiederholenden Groteske, dass Konsul Brühl und Franz Mayer-Melnhof IV., der Vater des jetzigen Franz Mayer-Melnhof, hinten billig mit Bernhard Lanz in der economy saß und vorne deren Angestellte aus der Kartonfabrik etc., aber auch andere Angestellte, die in der mehrfach teureren businessclass den Flug hinter sich brachten. Millionäre fliegen economy - Angestellte und Angeheiratete fliegen business oder first.

Und das ist so typisch für Brühl, wie es auch für Franz Mayer-Melnhof war, dass die Eigentümer immer sparsam und wirtschaftlich denkend unterwegs waren, während die Angestellten speziell aus den verstaatlichten Betrieben, jetzt heißen sie ÖIAG-Betriebe, Banken und sonstige derartige Betriebe, sowie multinationale Unternehmen, bei denen es keine Eigentümer gibt, sondern die Eigentümer sind Pensionsfonds, die sitzen dann in der businessclass, weil es eh egal ist, was es kostet. Das hat sich mittlerweile auch schon geändert.

Aber das ist nur die wirtschaftliche Seite des Konsuls Brühl. Er hat seinen Vater in Auschwitz verloren. Das klingt so, wie wenn man jemandem bei einem Unfall oder wegen einer Krankheit verloren hätte. Tatsächlich war es das mörderische Naziregime, die den Mord noch schrecklicher macht, weil es nicht eine Einzelhandlung war, sondern Teil einer Tötungsmaschinerie. Konsul Brühl war damals nach England geflüchtet, überlebte dort und kam mit seiner Mutter, seinem Bruder und seiner Schwester wieder zurück. Der Bruder, ein echter Modemann, dem bei der Mode nicht nur die Herrenmode lieber war, sondern das auch für sein Leben gilt.

Kurt Brühl, dieser spätere langjährige englische Honorarkonsul in Graz, kurz Brühl, wurde von Bernhard Lanz bei einem zufälligen Straßengespräch damit konfrontiert, dass es in Österreich noch 1960 und später Antisemitismus gab, wo man ihn nicht erwartet hätte und man auch als Nichtjude geschockt war. Ein Österreicher wie Bernhard Lanz hatte in der Regel einen kleinen, mittleren oder größeren Nazi als Vater und auch das war etwas Spezielles für Graz, dass die Kinder der Nazis eigentlich keinen wirklichen Plan von dem hatten, was Jude oder Nichtjude, Judenverfolgung bedeutet, nicht zuletzt weil es vorerst erkennbar keine Juden mehr in Graz gab.  

Dieser Bernhard Lanz kaufte mit Freunden das Palais Trauttmansdorff, in welchem die Tanzschule Mirkowitsch untergebracht war. Diese war zu diesem Zeitpunkt schon geschlossen, es war nur noch eine Wohnung der Familie dort neben den Tanzschulräumlichkeiten. In dieser Tanzschule Mirkowitsch lernte die sogenannte bessere Gesellschaft ab 16 Jahren das Tanzen, das war der „Grazer Elmayer“. Auch Mirkowitsch war wie Elmayer ursprünglich ein Offizier. Dieser damals 35-jährige Bernhard Lanz, der aus verschiedenen Gründen mit Juden auf der ganzen Welt befreundet ist, hat, ohne dies zu wissen oder daran zu denken, wenn er daran gedacht, hätte er es auch nicht gewusst, zu seinem 35. Geburtstag in diesen Räumlichkeiten der Tanzschule Mirkowitsch, als Abschied der Räumlichkeiten der Tanzschule aus dem Grazer Gesellschaftsleben, da diese Räumlichkeiten so nicht erhaltbar waren und zumindest einem Umbau weichen mussten, gefeiert. Zu diesem Geburtstagsfest lud er auch „Fritzi“ Steinlechner, geborene Herzl ein. Damals Miteigentümerin des ursprünglich väterlichen Schuhhauses Stiefelkönig.

Einige Tage nach dem Geburtstag trafen sich Fritzi Steinlechner und Bernhard Lanz, der immer alle nur auf der Straße trifft, zufällig und Bernhard Lanz sagte zu Frau Steinlechner, dass er bedauert, dass sie nicht zu diesem Geburtstagsfest gekommen ist und diese erwiderte: “Ich konnte dort nicht hingehen, weil ich werde nie vergessen, was das bedeutet hat, dass ich als Jüdin nach dem Zweiten Weltkrieg von Mirkowitsch keine Erlaubnis bekam, dort in die Tanzschule zu gehen.“ Dies erzählte sie Bernhard Lanz, den das sehr betroffen machte, worauf Konsul Brühl, zu diesem Zeitpunkt schon Konsul, erwiderte, wissen Sie, ich wollte meine Töchter in den französischen Kindergarten der Familie Mensi-Klarbach schicken und weil wir Juden waren, durften dort meine Töchter nicht in den Kindergarten gehen. Der Kindergarten war nicht von einer Qualität, dass dies aus diesem Grund zu bedauern gewesen wäre.

Die Tochter sagte beim Begräbnis, deshalb ist er mit uns Töchtern nach England gezogen.

Als Bernhard Lanz angeklagt vor dem Richter Dr. Bodo Gryger, Burschenschafter, stand, sagte Staatsanwalt Dr. Peter Gruber, dessen Töchter beim nationalen Spielmannszug mitwirkten: „Sind Sie Jude Herr Lanz“, was Lanz verneinte. Aber auch da, als Bernhard Lanz dies dem Konsul Brühl mitteilte, hat dieser dies einfach dem vom Straßenpolizisten zum Polizeichef gewordenen „Charly“ Müller, weitergeleitet, der übrigens als Freimaurer auch bei Brühls Begräbnis war, und das führte zu einer ergebnislosen parlamentarischen Anfrage.

Konsul Brühl war Kunde, jahrelang bis zum Tod, zumindest bei einem national schlagenden Burschenschafter. Er war ein Mann der Versöhnung, der einfach die Versöhnung lebte und nicht den Hass und egal, ob man ihn wegen seiner nicht so großen Struktur und seinem teilweise dandyhaften Auftreten mit einer gewissen Eigenart betrachtete, er war erfolgreich, er war ein Mann der Versöhnung, er hat exzellente Mitarbeiter ausgebildet. Er war jemand, dessen Leben auch für andere, egal ob Juden oder nicht Juden, einen Sinn machte und mit seinem Tod geht ein Stück Graz verloren. Zu seinen Freunden zählte auch Arnold Schwarzenegger, der jedes Mal, wenn er nach Graz kam, beim Brühl vorbeiging. Konsul Brühl war ein Vater von drei Töchtern, Großvater von Enkeln, aber er war einfach ein Vorbild für alle, der es berechtigt in sich gehabt hätte zu hassen und ein Rächer zu sein. Er hat sein Leben mit derartigen Gedanken nicht zerstört, sondern er hat es einfach bedauert und auch mit Tränen in den Augen zum Ausdruck gebracht, welchen Schmerz es ihm bereitet hat, nämlich für seine Töchter, dass diese in seiner geliebten Heimatstadt Graz, nicht in den französischen Kindergarten gehen durften. Weil die Familie Mensi-Klarbach, die diesen führte, keine Judenkinder haben wollte. Das war in den 60er oder 70er Jahren, also nicht in der Nazizeit. Wir verbeugen uns vor Konsul Brühl.


MS

Fotos:
- Daniela Grabovac, Konsul Kurt David Brühl und Agnes Truger (von links). (friedensbuero-graz.at) (Titelbild)
-Ehrenpräsident Konsul Kommerzialrat Kurt David Brühl erhält von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic das „Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern. (kommunikation.steiermark.at; © Fischer)
- Ehrenbürger Kurt D. Brühl zwischen Prorektor Konrad (links) und Rektor Rauch. Foto: Gasser (uni-graz.at)
- Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic überreicht Konsul Kurt David Brühl den Ehrenring des Landes Steiermark. (werndorf-vp.at)
-Bilder www.bruehl.at: © Copyright 2014 by K. D. Brühl Trading Ges.m.b.H.:
1. Trachten Schlößl, Herrengasse 8010 Graz
2. House of Gentlemen, Michaelerplatz/Kohlmarkt 1010 Wien
3. Brühl, Schmiedgasse 8010 Graz

die-frau.at