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Wozu Worte, wenn man Fäuste hat
07.12.2013
Zwei Ehepaare treffen einander unter gerade nicht besonders liberalen Umständen. Der neunjährige Ferdinand, bewaffnet mit einem Stock, schlägt seinem Schulkameraden Reno zwei Zähne aus. Die immer für alles eine Lösung parat habende Mutter des Geschädigten lädt die Eltern des Täters zu Kaffee und Kuchen. Sie ist der Meinung, man kann jeden Konflikt friedlich lösen, es müssen nicht immer die Fetzen fliegen und Zähne ausgeschlagen werden. Doch das, was Véronique (Olivia Grigolli) Liberalität nennt, erweist sich als ihre Unfähigkeit, Gefühle zu äußern, weswegen sie sich verstellt und für alles nach einer Erklärung sucht. „Frauen denken zu viel“, sagt Alain (Sebastian Klein), der Vater des Täters, und kommt damit auf den Punkt. Denn beim Treffen wird herumgeredet, ohne dass man sich den Tatsachen stellt: Kinder sind keine Kinder mehr und man sollte sie auch nicht als solche betrachten. Man kann sich nicht über sie stellen und auch die Methode, wie von Alain und Annette (Verena Lercher), die ihren Ferdinand dazu zwingen, Reue zu empfinden, sind eher kontraproduktiv als zielführend. Kinder sollten selbst lernen, Verantwortung zu übernehmen.

Der Prolog plätschert emotionslos dahin. Im Hauptteil erreichen die Emotionen ihren Höhepunkt und am Ende entsteht eine Emotionslawine mit durch die Luft fliegenden Gegenständen. Die gesamte Bühne, gestaltet von Annabel Lange, liegt am Ende in Trümmern. Zerstückelte Blumen hier und dort, Teile eines Handys, herumliegende Kleidungsstücke, Zeitungsteile… Viel Vergnügen dem Reinigungspersonal.

Die Lippen zusammenzubeißen und zum Stock, einem scharfen Wort etc. zu greifen, scheint sich zu einer modernen Kommunikationsform entwickelt zu haben. Eigene Gefühle zu äußern ist man dagegen zu feig.

Doch was soll man den Kindern vorwerfen, wenn Eltern selbst erst unter Alkoholeinfluss lockerer werden und endlich Mut fassen, ihr wahres Gesicht zu zeigen und Klartext zu reden?

Mit ihrem Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“ geht die französische Schauspielerin und Schriftstellerin Yasmina Reza der jahrhundertealten Frage nach: was ist Kommunikation und wie gestaltet man sie? Brillant gespielt von Olivia Grigolli, Stefan Suske, Verena Lercher und Sebastian Klein ist die Inszenierung „Des Gottes des Gemetzels“ eine perfekte Alternative für diejenigen, die die Verfilmung verpasst haben.

VS

Fotos: Lupi Spuma

die-frau.at